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Aus: Ausgabe vom 01.08.2025, Seite 4 / Inland
JVA Gablingen

Häftlinge im Würgegriff

Bayern: Bedienstete der JVA Gablingen sollen auch in anderen Gefängnissen gewütet haben
Von Fabian Linder
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Hinter diesen Gittern soll es mehrfach zu folterähnlichen Misshandlungen von Inhaftierten gekommen sein (Gablingen, 16.7.2015)

Seit Bekanntwerden der Foltervorwürfe in der bayerischen Justizvollzugsanstalt (JVA) Gablingen, nahe Augsburg, kommen Stück für Stück neue Details ans Licht, die sich auch auf massive Gewaltanwendung gegenüber Häftlingen beziehen.

Nachdem im Oktober 2024 bekanntgeworden war, dass Häftlinge nackt und ohne ersichtlichen Grund über längere Zeit in »besonders gesicherte Hafträume« gesperrt wurden, ist mittlerweile davon auszugehen, dass die seit Beginn der Ermittlungen freigestellten Bediensteten auch in mindestens einem anderen Gefängnis brutal gegen Häftlinge vorgingen.

Aus einem Bericht des bayerischen Justizministeriums ging bereits im März hervor, dass die sogenannte Sicherungsgruppe (SIG) der Gablinger JVA auch bei einem Außeneinsatz in der 50 Kilometer entfernten JVA Neuburg-Herrenwörth mindestens vier Insassen verletzt haben soll. Demnach sollen die Bediensteten der »Sicherungsgruppe« am 23. Oktober, also kurz vor dem öffentlichen Bekanntwerden der Vorwürfe, zu einer Drogenrazzia nach Neuburg beordert worden sein. Betroffene der JVA Neuburg-Herrenwörth berichteten gegenüber Medien von schweren Gewaltexzessen der Gablinger Mitarbeiter. Häftlingen sei zunächst Gewalt angedroht worden, um Informationen zu angeblichen Drogen zu erhalten. Betroffene berichteten gegenüber dem Bayerischen Rundfunk von Schlägen gegen Kehlkopf und Gesicht sowie von Würgegriffen der Beamten. Die frühere stellvertretende Leiterin der JVA Gablingen soll dabei in unmittelbarer Nähe gestanden haben.

Das Ministerium begründete den Einsatz der Gablinger »Sicherungsgruppe« in Neuburg damit, dass nur 17 von 36 bayerischen Anstalten eine solche Truppe mit besonders geschultem Personal hätten. Brisant ist vor allem, dass mit den Vorwürfen aus einer weiteren JVA gegen die Mitarbeiter in Gablingen ersichtlich wird, wie die Gewalt gegen Häftlinge in Gablingen mutmaßlich vertuscht worden ist. Nach der Razzia in Neuburg wandte sich der dortige Anstaltsleiter an das Justizministerium, das die Augsburger Staatsanwaltschaft informierte. Häftlinge in Gablingen erlebten jedoch Gegenteiliges. Ein Betroffener der dortigen Gewaltattacken wurde vom Amtsgericht Augsburg wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte verurteilt, obwohl die ärztlichen Berichte die Schilderungen des Häftlings stützten. Demnach hätte der Gefangene statt in einen »besonders gesicherten Haftraum« in ein Krankenhaus transportiert werden müssen, wie die »Tagesschau« einen Kriminologen zitierte. Das Ministerium kündigte an, dass im Zuge der Ermittlungen auch solche Fälle neu aufgerollt würden.

Unterdessen hat der von Gablingen ausgehende Skandal auch auf höherer Ebene erste personelle Konsequenzen. Wie der BR zu Beginn der Woche mitteilte, werde der im Ministerium zuständige Leiter des Strafvollzugs in Bayern ab August versetzt. Der Beamte hatte sich bei der »Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter« über deren unangekündigten Kontrollbesuch in der JVA Gablingen beschwert, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits schwere Vorwürfe gegen die dortige Anstaltsleitung im Raum standen. Davon distanzierte sich das Ministerium im Zuge der sich ausweitenden Vorwürfe. Justizminister Georg Eisenreich (CSU) sprach von einer »individuellen Äußerung«, die nicht seiner Haltung entspreche.

Begrüßt wurde die jetzige Entscheidung von der Grünen-Landtagsfraktion in Bayern. Deren Justizexperte, Toni Schuberl, sprach von einem »überfälligen Schritt«. Demnach brauche es für die ministerielle Zuständigkeit eine Abteilung, die genau hinschaue und sich nicht belügen lasse, sondern »kontrollieren will und auch die Interessen der Gefangenen wahrnimmt«, so der Oppositionspolitiker. So sei bisher auch davon auszugehen, dass weitere Beschwerden durch Häftlinge von der Abteilung nicht an die Staatsanwaltschaft weitergegeben wurden und damit die Aufklärung verzögert wurde.

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