»Wer sagt, Geld wäre keine Motivation für ihn, der lügt«
Von Marc Hairapetian
Frau Großmann, Sie spielten im 2021 veröffentlichten, deutschen Film »Leberhaken«, der in den USA, ebenfalls mit Ihnen, als »Uppercut« adaptiert wurde. Gerade ist der auf RTL+ zu sehen. Kamen Sie von der Geschichte nicht los?
LG: Meine Figur der Toni trifft mit Ving Rhames als Exboxchampion Elliott im neuen Film eine völlig andere Figur, als in »Leberhaken«, wo ich mit Hardy Krüger junior als Rick in Berlin-Wedding auf einen Coach und Seelenverwandten treffe. Sie ist älter als in »Leberhaken«, wo sie Steph heißt, und sie ist eine Deutsche, die in New York lebt. Die ganzen Umstände sind anders. Als Boxerin versucht sie in »Uppercut« Barrieren zu überwinden, während sie neu definiert, was es bedeutet, in der heutigen Welt eine Frau zu sein. Ihr Sparring mit Elliott und seine unbequemen An- und Einsichten zeigen ihr, dass wahre Stärke aus der Überwindung der Schwierigkeiten resultiert, wenn einem das Leben einen Leberhaken versetzt hat. Das habe ich auch daran gemocht, dass es nicht so ist, als würden wir das einfach noch mal drehen.
Mister Rhames, haben Sie sich »Leberhaken« vorher angesehen, um sich auf die Rolle vorzubereiten?
VR: Nein, nicht komplett. Hardy Krüger junior ist ja kein Schwarzer. So bestand keine Notwendigkeit für mich, meine Rolle mit seiner zu vergleichen. Es war das erste Mal, dass ich mit einer deutschen Schauspielerin und einem deutschen Regisseur zusammengearbeitet habe. Diese Kultur ist anders als meine. Ich musste viel lernen, um mich auf sie einzulassen. Das hat eine kreative Seite von mir angesprochen. Luise und Regisseur Torsten Ruether haben eine sehr jugendliche Energie. Das hat mir geholfen, meine Liebe zur Schauspielerei wiederzuentdecken. Das war eine sehr positive Erfahrung für mich. Es ging zurück zu den Grundlagen des Filmemachens, wo es nicht um Geld und nicht um Hollywood geht, sondern darum, schöpferisch zu sein und mit dem auszukommen, was man hat, um die Dinge mit den eigenen Einfällen zu erweitern. Das ist ganz anders als beim neuesten Teil der »Mission Impossible«-Reihe »The Final Reckoning«. Da hatten wir 200 Millionen US-Dollar Budget. Das ist in gewisser Weise erdrückend und da bleibt nicht soviel Raum für Kreativität.
Sind Sie beide am Boxsport interessiert?
LG: Ich wollte in meiner Jugend beim SC Magedeburg Leichtathletikprofi werden, weil ich gut darin war, vor allem in meiner Spezialdisziplin Stabhochsprung. Natürlich habe ich mich auf diesen Film vorbereitet und dafür Boxtraining gemacht. Ich interessiere mich aber nicht so sehr für Boxfilme und habe keine zur Vorbereitung gesehen, weil es auch langweilig ist, sich etwas anzuschauen, was es schon gibt, um etwas Neues zu schaffen. Und was Ving immer sagt, ist richtig: »Uppercut« ist kein richtiger Boxfilm, wie etwa »Rocky« oder der Spin-off »Creed«, sondern ein Kammerspiel über zwei besondere Charaktere.
VR: Boxen ist nur der Hintergrund in diesem Film. Es geht nicht ums Boxen, sondern um zwei Menschen, die sich fremd sind und die das Boxen zusammenbringt. Ich habe ein paar Boxfilme gedreht und dafür mit dem berühmten Boxer Sugar Ray Leonard trainiert. Und jetzt boxt mein Sohn.
Meine Mutter ist verrückt nach Boxen, vor allem wegen Muhammad Ali. Als ich ein Kind war, stand sie wegen der Zeitverschiebung nachts mit mir auf – und dann musste ich zum Spaß Alis Runden mit ihr nachstellen.
VR: Wow, Sie haben auch tolle Geschichten zu erzählen. Da fällt mir ein, dass ich 2002 zur Vorbereitung für »Undisputed« Mike Tyson getroffen habe. Mike ist interessiert sich eigentlich nicht fürs Boxen. Wenn man sich mit ihm hinsetzt und redet, macht er einem deutlich, dass Boxen in seiner Nachbarschaft geradezu notwendig war, um zu überleben. Da er ein Überlebenskünstler war, hat er das dann zu seinem Beruf gemacht.
Ich habe viele Schauspieler gefragt, warum sie diesen Beruf ergriffen haben. Anthony Perkins sagte mir ein halbes Jahr vor seinem Tod: »Ich bin Schauspieler geworden, um mit dem realen Leben fertig zu werden. Das ist meine Form von Selbsttherapie.«
VR: Ich habe die Schauspielerei nicht ausgewählt. Ich hatte damit nichts zu tun. Gott hat mich auserwählt. Also bin ich seinem Rat gefolgt.
Wie ist es bei Ihnen, Frau Großmann?
LG: Ich denke, es ist ziemlich anders bei mir als bei Ving, weil ich aus einem ganz anderen Umfeld komme, nämlich aus dem Sport. Als ich jünger war, wollte ich Profisportlerin werden, aber das klappte nicht, weil ich mir Verletzungen zugezogen hatte. Also es fehlte mir etwas Richtiges, das ich gerne in meinem Leben mache, und das habe ich nach dem Modeln bei der Schauspielerei gefunden. Und ich dachte, ok, wenn es das ist, was ich liebe und es zu meinem Beruf machen könnte, wäre es das Beste, weil viele Leute ihre Jobs nicht mögen und sich irgendwann darüber beschweren. Und wenn man das tut, was man liebt, und es im besten Fall beibehält, ist das ein echtes Privileg.
VR: Und das Beste an der Schauspielerei ist, dass man gut bezahlt wird! Wenn man es als Schauspielerin oder Schauspieler schafft, wird man gut bezahlt.
LG: Man muss aber erst ein gewisses Niveau erreichen. (Sie deutet auf Ving Rhames.)
VR: Danke für die Blumen! Als ich »Pulp Fiction« drehte, verdiente ich zwei Wochen lang 150.000 US-Dollar pro Woche. Ob Weiße oder Schwarze, Mann oder Frau: In den tragenden Rollen bekamen alle dasselbe. Bruce Willis, Sam Jackson, John Travolta und ich, wir alle. Für mich, der zehn Jahre zuvor seinen Abschluss an der Juilliard School of Drama in New York gemacht hatte und von solchen Gagen nur träumen konnte, waren 150.000 US-Dollar für eine Woche gutes Geld. Bei meiner ersten Fernsehserie zuvor waren es immerhin 65.000 US-Dollar pro Woche. Wer verdient schon soviel Geld? Höchstens Spitzensportler, Topmanager oder hochrangige Politiker. Und das war erst am Anfang meiner Karriere. Wer als Film- und Fernsehschauspieler sagt, Geld wäre keine Motivation für ihn, der lügt.
Konnten Sie sich damals vorstellen, dass »Pulp Fiction« so erfolgreich werden würde?
VR: Nein, nein, nein, nein, nein, nein! Ihnen wird ein Job angeboten. Sie unterschreiben den Vertrag. Sie machen die Arbeit. Was auch immer passiert, passiert: In diesem Fall ist das gut gelaufen. Quentin Tarantino hat uns alle auch an den Verkäufen des Soundtrack-Albums beteiligt. Ich bekomme jedes Jahr immer noch an Tantiemen aus dem »Pulp Fiction«-Bereich, ungefähr 150.000 US-Dollar. Sie sehen, 150.000 ist meine magische Zahl! Also ich sitze zu Hause und mache nichts und bekomme immer noch Geld für etwas, was schon lange zurückliegt: Schauspieler ist wirklich ein toller Beruf!
In »Mission Impossible« sind Sie der Computerexperte Luther Stickell. Ist das privat auch Ihr Steckenpferd?
VR: Eigentlich nicht. Ich nutze kein Internet oder so etwas. Das ist nicht gut für mich, frisst zuviel Zeit.
Ving Rhames kam 1959 in New York City als Irving Rameses Rhames auf die Welt. In der Rolle von Gangsterboss Marsellus Wallace in Quentin Tarantinos »Pulp Fiction« (1994) schrieb er Kinogeschichte.
Luise Großmann, geboren 1995 in Wolmirstedt (Sachsen-Anhalt), war erst erfolgreiche Stabhochspringerin, heute ist sie Schauspielerin. Zuletzt war sie in der ZDF-Serie »Bettys Diagnose« zu sehen
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