Aus Leserbriefen an die Redaktion

Rente I
Zu jW vom 18.7.: »Solisteuer auf Alterseinkünfte«
Dass das Rentenumlagesystem immer weniger funktioniert, liegt in erster Linie daran, dass von dem produzierten Mehrwert immer weniger in die Taschen der Produzenten, sprich Arbeiter, und entsprechend weniger in die Rentenkasse fließt. Oder anders ausgedrückt: Nicht die Demographie ist das Problem, sondern die Verteilung des Mehrwerts.
Ingrid Schellhammer, Mutterstadt
Rente II
Zu jW vom 23.7.: »Die Alten sollen ran«
Ich arbeite Vollzeit neben der Rente bei einem privaten Bildungsträger. Bezahlt wird nach dem Mindestlohn für Sozialpädagogen. Es gibt weder mehr Urlaubstage noch eine höhere tarifliche Einstufung. Auch keine Sonderzahlungen. Nach sechs Wochen krank gibt es kein Krankengeld, weil man Rentner ist. Es werden Kranken- und Pflegeversicherung sowohl von der Rente als auch vom Lohn abgezogen. Arbeitslosengeld gibt es nicht. Man ist in Rente. Wegen des Doppelverdienstes wird auch die Rente besteuert.
Franz Siklosi, Einhausen
Marx ≠ Marx + x
Zu jW vom 12./13.7.: »›Wir brauchen einen ökologischen Marxismus‹«
In der Geschichte hat es ja immer wieder Versuche gegeben, Marx mit irgendwelchen von außen herangetragenen Konzepten zu »bereichern«. Es gab den Ansatz, Marx mit dem Neukantianismus/Kathedersozialismus zusammenzubringen. Lenin kritisierte einst die Versuche, Marx und Mach zu vereinigen, und es gab ja auch Bestrebungen einer Synthese von Marx und Freud. Nun also die Ökologie und Marx. Wichtig ist im Text der Hinweis, dass Marx den Begriff des Stoffwechsels aus der Naturwissenschaft entlehnt hat, was zeigt, dass Marx auf dem Wege der Forschung sich als Einzelwissenschaftler mit den Ergebnissen der anderen Wissenschaften beschäftigte und sie in seine Arbeit einbaute. Er brauchte dazu kein »Marx und Liebig«. Allen diesen Versuchen, Marx mit irgend etwas zu ergänzen, ist gemeinsam, dass sie glauben, eine Leerstelle bei Marx ausfüllen zu müssen, aber dabei nur eigene methodologische Leerstellen zeigen. Jan Rehmann spricht von »der Methode des historischen Materialismus«, es wäre aber fruchtbarer, von der »materialistischen Analyse gesellschaftlicher Verhältnisse« zu sprechen. Weiterhin spielt der Ausdruck »Wachstum« eine große Rolle. »Wachstum« wird als ein Substanzbegriff gebraucht (wie übrigens der Ausdruck »Frieden« in vielen Texten auch). Mit diesen Denkwerkzeugen ist ein Zugang zur Analyse materieller gesellschaftlicher Verhältnisse nicht möglich. Man sollte den Reichtum des Marxschen theoretischen und methodologischen Erbes ausschöpfen, bevor man wieder einmal eine »Marx und«-Mode postuliert. Als Anregung: Es erscheint mir sinnvoll, ausgehend von den Begriffen der extensiv erweiterten Reproduktion im Verhältnis zur intensiv erweiterten Reproduktion über verschiedene Arten des Wachstums und der Entwicklung der Umwelt nachzudenken. Das Thema »Ökologie« hängt mit den materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen zusammen, sollte man als Marxist meinen. Vor einer Ergänzung von außen sollte man die methodologischen Möglichkeiten von Marx und Engels nutzen.
Bernd Vogel, Leipzig
Sozialismus dringend gebraucht
Zu jW vom 16.7.: »›Nein, der Kapitalismus ist nicht reformierbar‹«
Richtig ist natürlich, wenn Jean Ziegler schreibt, dass nach der Abschaffung des Kapitalismus niemand voraussagen kann, was dann kommen wird. Zu ergänzen ist, dass es eine »kannibalische Weltordnung« bleibt, wenn die großkapitalistischen Nationen, die 25 Prozent der Weltbevölkerung stellen, ohne Widerstand 85 Prozent des Holzes, 70 Prozent der Energie und über 60 Prozent der Nahrungsmittel verbrauchen. Für knapp 2.000.000.000 Menschen gibt es keine gesundheitliche Betreuung, 1,3 Milliarden Menschen können kein sauberes Wasser trinken. Über eine Milliarde erwachsene Menschen können nicht schreiben und lesen. Willi Gerns, marxistischer Wissenschaftler der DKP, hat recht, wenn er in seinen Büchern schreibt: »Sozialismus oder Untergang in der Barbarei!« Diese vom Gründungskongress der KPD an der Jahreswende 1918/1919 im Parteiprogramm formulierte Alternative stellt sich heute dramatischer denn je. Die Schriftstellerin und Friedensaktivistin Dorothee Sölle zog sogar den Schluss: »Der Staatssozialismus ist tot, aber der Sozialismus als Utopie einer solidarischen und schöpfungsangepassten Gesellschaft wird noch dringend gebraucht.«
Gerd-Rolf Rosenberger, Bremen
Winding Refn und Winderberg statt FF
Zu jW vom 24.7.: »Fanta Vier plus eins«
Kein Zufall, dass bei allen Marvel-Produktionen – aber auch anderen Filmen dieser Art (Mission Impossible, Super-, Bat- und Spiderman etc.) – das »Böse« immer nur die USA angreift, jedoch die ganze Welt von deren »HeldInnen« gerettet wird. Purer Kulturimperialismus, wobei man zugestehen muss, dass einige Filme gut gemacht sind. Die Fantastic-Four-Teile gehören nicht zur letzten Kategorie, da viele belanglose Dialoge nichts zum Inhalt beitragen, obwohl sie teilweise komisch sind. Da schaue ich mir lieber die Trilogie der dänischen Kultfilme »Pusher« an, die z. Z. in französischen Kinos läuft (Eintritt ab 16 Jahren), oder die laufende Retroperspektive von Bo Widerberg.
Martin Mandl, Paris
Man sollte den Reichtum des Marxschen theoretischen und methodologischen Erbes ausschöpfen, bevor man wieder einmal eine »Marx und«-Mode postuliert.
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