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Aus: Ausgabe vom 23.07.2025, Seite 1 / Kapital & Arbeit
Kürzungen beim Arbeitslosengeld

Die Alten sollen ran

Kapitalnahes Institut will kürzere Bezugsdauer des Arbeitslosengelds für über Fünfzigjährige
Von Max Grigutsch
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Wer nicht arbeitet, soll auch nichts bekommen, meinen die Bosse und ihre Ideologen (Dresden, 3.1.2023)

Eine »Vereinheitlichung« klingt erst mal gut. Sie klingt weniger gut, wenn sie zu Lasten älterer Erwerbsloser geht. Am Dienstag machte das kapitalnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) den Vorschlag, die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes für über Fünfzigjährige zu kürzen und auf die zwölf Monate zu begrenzen, die Jüngeren zustehen. Das sei »gerecht« und entlaste den »angespannten Haushalt« um mehr als zwei Milliarden Euro, wie eine Studie des Kölner Instituts nahelegt. Außerdem diene das der »Milderung des Fachkräftemangels«.

Wer in Deutschland erwerbslos wird, hat Anspruch auf ein Jahr Arbeitslosengeld, bevor man in das niedriger bemessene Bürgergeld abrutscht. Ab einem Alter von 50 Jahren steigt die Bezugsberechtigung auf 15 Monate, ab 55 Jahren auf 18 Monate, ab 58 Jahren auf 24 Monate. Diese altersbedingte Erhöhung gelte es zu streichen, fordert das IW. »Wer länger Arbeitslosengeld bezieht, lässt sich bei der Arbeitssuche mehr Zeit«, warnen die Studienautoren und beschwören das Schreckgespenst der »Langzeitarbeitslosigkeit«.

Das überzeugt die SPD bisher nicht. »Wer lange gearbeitet und eingezahlt hat, hat sich im Fall der Arbeitslosigkeit eine besonders verlässliche Absicherung verdient«, sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Dagmar Schmidt, am Montag dem Handelsblatt. Anders das IW: Die Arbeitslosenversicherung »ist kein Sparvertrag«, heißt es in der Studie.

Arbeitskraft wird benötigt, gerade angesichts der am Montag angekündigten Privatinvestitionen in Höhe von 631 Milliarden Euro. Und 84.801 Ältere hätten im vergangenen Jahr länger als zwölf Monate Arbeitslosengeld bezogen, seien also nicht erwerbstätig gewesen, so Zahlen der Bundesagentur für Arbeit nach IW-Auswertung. Mit einer »Vereinheitlichung« nach unten – also Leistungskürzungen – könne ein »Anreiz« geschaffen werden, um jene »bis zur Regelaltersgrenze am Arbeitsmarkt aktiv« zu halten. Ginge es nach Kapitalvertretern, würde diese Grenze ohnehin angehoben werden. Einen ersten Schritt in diese Richtung plant die Regierung Merz mit der »Aktivrente«.

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    Ich arbeite Vollzeit neben der Rente bei einem Privaten Bildungsträger. Bezahlt wird nach dem Mindestlohn für Sozialpädagogen. Es gibt weder mehr Urlaubstage, noch eine höhere tarifliche Einstufung. Auch keine Sonderzahlungen. Nach sechs Wochen krank gibt es kein Krankengeld, weil man Rentner ist. Es werden Kranken- und Plegeversicherung sowohl von der Rente, als auch vom Lohn abgezogen. Arbeitslosengeld gibt es nicht. Man ist in Rente. Wegen dem Doppelverdienst wird auch die Rente besteuert.

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