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Aus: Ausgabe vom 24.07.2025, Seite 11 / Feuilleton
Kino

Fanta Vier plus eins

In Matt Shakmans Comicadaption werden die Helden in Babyblau zur olympischen Kernfamilie und müssen die Erde retten
Von Marc Bebenroth und Maik Rudolph
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Ein Ding mit vielen Fertigkeiten

Kein Stern am Himmel über der Levante, ein blaues Kreuz auf dem Schwangerschaftstest ist Zeichen genug. Wissenschaft und Technologie ersetzen in »The Fantastic Four: First Steps« jede Religion. Die an diesem Donnerstag in den Kinos anlaufende Comicgeschichte setzt in genau dem Moment ein, als das Paar im Zentrum zur bürgerlichen Kernfamilie anwächst. Sue Storm (Vanessa Kirby) und Reed Richards (Pedro Pascal) erwarten nach jahrelangen Bemühungen endlich ein Baby.

Wie per Druckbetankung muss über die bisherigen Abenteuer des Gummimanns Richards, die Psychokinetikfrau, Sues Bruder Johnny (Joseph Quinn), die Menschliche Fackel, und Ben Grimm (Ebon Moss-Bachrach) alias Das Ding berichtet werden, bevor die Handlung Fahrt aufnehmen kann. Ähnlich wie bei den jüngsten Verfilmungen der Spiderman-Comics verzichtet Marvel auf die detaillierte Darstellung der Superkräfteakquise. Von den bisherigen Marvel-Blockbustern muss man nichts wissen. Wer mit den Anspielungen auf die Comicvorlage nichts anfangen kann, ignoriert sie einfach. Entscheidend ist: Es gibt bislang kein Problem, das diese Helden nicht lösen können. Ein solches muss erst in Gestalt von Galactus seinen Weg aus dem Kosmos zur Erde finden. Der Milliarden Jahre alte Weltraumriese will die Erde verschlingen – schon wieder. Er kann nicht anders. Diesmal verlangt es ihn auch nach dem MacGuffin: Baby Franklin.

Marvel – also Disney – bekam 2019 die Filmrechte für sein Comicfranchise zurück. Das Imperium der Maus hatte schlichtweg den Rechteinhaber 20th Century Fox geschluckt (71,3 Milliarden US-Dollar für Monopolbildung und geistiges Eigentum an allerhand Franchise). Mitte der 2000er hatte Fox zwei Kassen-, aber nicht Kritikererfolge mit Marvels First Family rausgehauen. Letzterer, »Rise of the Silver Surfer«, erzählte 2007 die Geschichte um den Weltenvernascher und seinen titelgebenden Herold.

Den beiden Fox-Lichtspielen war zehn Jahre zuvor eine ebenso von Bernd Eichinger (»Voll normaaal«, »Der Untergang«) produzierte Verfilmung von Roger Corman vorausgegangen, die nicht zur Veröffentlichung gedacht war, sondern allein dem Erhalt der Rechte diente. Einen vierten Versuch hatte Fox 2015 unternommen: Inspiriert von Christopher Nolans Pseudorealismus in seiner Batman-Trilogie stimmte Josh Trank mit vielen Löchern in der Handlung eine Hymne auf das US-Militär an. Ein Flop, zu düster; waren es doch Sue, Reed, Smudo und Thomas D, die Marvel 1961 in das knallige, campy-kitschige Silver Age of Comics führten.

Nun aber hat sich Marvel endlich getraut, diese retrofuturistische Welt der 1960er Jahre einzufangen. Dafür konnten Regisseur Matt Shakman und sein Kinematograph Jess Hall bereits mit »Wanda Vision« Erfahrungen sammeln. Leichtherzigkeit wird momentan großgeschrieben. Auch der Kinokassenkonkurrent »Superman«, der vergangene Woche angelaufen ist, setzt darauf und soll nach den düsteren Jahren unter Zack Snyder das Filmuniversum von DC Comics – hinter denen Warner steckt – neu starten. Vergessen sind die Tage von Snyders »Man of Steel«, in denen unzählige Kollateralschäden die Post-»9/11«-Stimmung bedient haben. In Metropolis wird mittlerweile fein säuberlich evakuiert, ebenso im New York der Fantastischen Vier.

Nahezu identisch zum Geschehen von 2007 ist der weitere Verlauf der Handlung: Die Silver Surferin (Julia Garner), nun die große Liebe der Comicvorlage, zeigt sich dabei so unnachgiebig in der Verfolgung der an die Grenzen ihrer Fähigkeiten geratenen Helden wie sonst nur der T-1000.

Galactus ist ebenfalls jeder Widerstand egal. Diese Fantastischen Vier sehen sich erstmals mit dem Gefühl blanker Ohnmacht konfrontiert und straucheln merklich. Sie haben noch ein As im Ärmel: die zuvor von Klassenwidersprüchen und Blockkonfrontationen bereinigte Weltgesellschaft. Ein Aufruf genügt, und die globale Staatenfamilie vertraut blind Mister Fantastic, dem klügsten Menschen der Welt, und seinem Plan.

Will man aus diesem nostalgischen NASA-Punk-Spektakel eine Ideologie herausfiltern, ist es die der vollends formierten Wohlstandsgesellschaft der Nachkriegs-»Great Society«. Die Massen vertrauen auf die im Miniolymp lebenden Superstars. Die wichtigsten Frauen der gesamten Handlung, Sue und Silver Surfer, werden nicht ausschließlich, aber wesentlich auf ihre Rolle als Mütter reduziert. Und falls es so etwas wie ein Proletariat gibt, dann am ehesten in Form der Maulwurfmenschen geschimpften Bewohner des unterirdischen Staats Subterranea. Deren Präsident tritt entsprechend wie ein unflätiger Emporkömmling auf.

Was Galactus betrifft, will sich die hier präsentierte Gesellschaft dieser größtmöglichen Bedrohung als Allegorie auf Globalkrisen wie Klimakatastrophe oder reale kosmische Gefahren – mit Mühen als Raubbaukapitalismus zu deuten – am liebsten verweigern bzw. sie einfach verschwinden lassen, damit alles so bleiben kann, wie es ist. So verschreibt sich auch dieser Film dem Erhalt des Status quo. Die einzige fundamentale Veränderung widerfährt den Helden darin, dass sie nun Eltern sind.

»The Fantastic Four: First Steps«, Regie: Matt Shakman, USA 2025, 115 Min., Kinostart: heute

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Martin M. aus Paris (23. Juli 2025 um 22:18 Uhr)
    Kein Zufall, dass bei allen Marvel aber auch anderen Filmen dieser Art (Mission Impossible, Super-, Bat- und Spiderman etc.) das »Böse« immer nur die USA angreifen, jedoch die ganze Welt von deren »HeldInnen« gerettet wird. Purer Kulturimperialismus, wobei man zugestehen muss, dass einige Filme gut gemacht sind. Die »Fantastic 4« gehören nicht zur letzten Kategorie, da viele belanglose Dialoge nichts zum Inhalt beitragen, obwohl sie teilweise komisch sind. Da schau ich mir lieber die Trilogie der dänischen Kultfilme »Pusher« an, die z.Z. in franz. Kinos läuft (Eintritt ab 16 Jahren), oder die laufende Retroperspektive von Bo Widerberg.

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