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Aus: Ausgabe vom 25.07.2025, Seite 8 / Inland
Schlossfestspiele auf St. Emmeram

»Sie ist eine gefährliche rechte Netzwerkerin«

Bayern: Milliardärin Thurn und Taxis muss für Schlossfest ohne AfD-Chefin im Publikum auskommen. Ein Gespräch mit Kurt Raster
Interview: Gitta Düperthal
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Glanz des Geldes: Gloria von Thurn und Taxis (3. v. r.) mischt sich unter die gutbetuchten Gäste bei der Premiere der Osterfestspiele in Österreich (Salzburg, 12.4.2025)

Gloria von Thurn und Taxis versammelt bei den jährlichen Schlossfestspielen auf St. Emmeram in Regensburg prominente Akteure reaktionärer bis völkischer Netzwerke. 2012 lud sie Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán ein, 2024 den AfD-Politiker Maximilian Krah. Diesmal war dessen Parteichefin Alice Weidel angekündigt. Weshalb wurde daraus nichts?

Wie ein Lauffeuer hatte sich am Montag in Regensburg die Nachricht verbreitet, dass die Schlossherrin Weidel zu den »AfD-Festspielen«, wie wir sie nennen, eingeladen hatte. Statt der rund 50 angemeldeten Demonstrierenden fanden sich mehr als 900 Menschen spontan auf dem Emmeramsplatz zum Protest ein. Weidel hatte in der Nacht auf Montag im Schloss übernachtet. Doch Sängerin Vicky Leandros hatte der Gastgeberin mitgeteilt, dass sie nicht bereit sei, mit der AfD-Chefin im Publikum aufzutreten.

Bei der Demo wurde die Parole »Nie wieder Faschismus« gerufen. Wie sehen Sie die Schlossherrin in dem Zusammenhang?

Zwar freut uns, dass sich die Künstlerin dagegen verwehrte, jedoch wundert uns, dass überhaupt noch Prominenz auf dem Gelände dieser Gastgeberin auftritt. Nach unserer Überzeugung ist sie eine gefährliche Influencerin und Netzwerkerin aus dem rechtsextremen Spektrum. Sie hat viel Geld und bietet stets das Forum, um Extremrechte zusammenzubringen. Sie leugnet den Klimawandel, bekämpft das Recht auf Abtreibung oder ergießt sich in Homofeindlichkeit.

Im rechten Magazin Cato sagte sie zur Homoehe: »Es gibt Perioden, da scheint der Teufel fröhliche Urstände zu feiern, dann gibt es Zeiten, da er zurückgedrängt wird und vorsichtiger agieren muss.« Sie ist Dauergast beim geschassten Bild-Chef Julian Reichelt, auf dessen Youtube-Kanal sie jedem ihr rechtspopulistisch verschwurbeltes Weltbild aufdrängt, der nicht schnell genug abschaltet. Das bleibt leider nicht wirkungslos, sie wurde schon als »Galionsfigur der Neuen Rechten« bezeichnet.

Zur Einladung Weidels sagte sie: »Man muss auch den ein oder anderen Exoten mit einladen, weil das macht die Sache interessanter.« Ist das eine typische Reaktion?

Ja, sie provoziert und eskaliert. Wenn es schiefgeht, versucht sie, sich mit einer gewissen Bauernschläue aus der Affäre zu ziehen. Weidel ist keinesfalls eine »Exotin«, sondern eine ausgewiesene Rechtspopulistin, die etwa daran arbeitet, hetzerische Begriffe wie »Remigration« salonfähig zu machen.

Wie groß ist der Einfluss der Milliardärin auf die Stadt Regensburg und das soziale Leben dort?

Hier gibt es Medien wie die Mittelbayerische Zeitung, die den Hochadel toll finden. Befestigt sie an Verkehrsschildern Werbung für ihre Events, zeigen wir das regelmäßig an. Doch die Stadt reagiert nicht: Bei Thurn und Taxis geht das eben! Schicki-Micki-Hotels wie »Goliath« profitieren als Caterer mit überhöhten Preisen bei den Schlossfestspielen.

Auch CSU-Granden geben sich auf dem Schloss die Klinke in die Hand.

Wir sehen es mit Sorge, dass die Rechtskonservativen hier versuchen, die »Brandmauer« zur AfD einzureißen. Scharfe Kritik gibt es an CSU-Oberbürgermeisterkandidatin Astrid Freudenstein, Landrätin Tanja Schweiger von den Freien Wählern und dem CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Aumer, die sich bei den Schlossfestspielen ablichten lassen. Sie tragen zur Normalisierung der Thesen der Schlossherrin bei. Die hiesige AfD-Abgeordnete Carina Schießl durfte gegenüber der Mittelbayerischen Zeitung geifern, bei Vicky Leandros handele es sich um ein »abgehalftertes, verglühendes Schlagersternchen«.

Wie kommt es, dass trotz allem Künstlerinnen und Künstler wie Gianna Nannini, Anastacia oder Chris de Burgh im Schloss auftreten?

Wir gehen davon aus, dass diese Künstlerinnen und Künstler mittlerweile alle ganz genau wissen, wo sie da auftreten. Besonders enttäuscht uns, dass Giovanni Zarrella, der 2024 eine Regenbogenfahne an seinem Mikroständer befestigte, dort erneut auftritt. Er macht sich so zum Förderer der rechtsextremen Agenda.

Kurt Raster ist aktiv im Bündnis »Recht auf Stadt Regensburg«

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