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Aus: Ausgabe vom 25.07.2025, Seite 5 / Inland
Fairer Handel in Deutschland

Auf fairlorenem Posten

Forum Fairer Handel verzeichnet Umsatzzuwachs. Begrenzt wird er durch Armut der Konsumenten
Von Susanne Knütter
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Die Grenzen des ethischen Konsums finden sich spätestens im Portemonnaie der meisten Lohnabhängigen. Die Daten, die das Forum Fairer Handel (FFH) am Donnerstag präsentierte, bestätigten den Befund, thematisiert wurde er nicht. Demnach sei der Umsatz mit »zu hundert Prozent« fair gehandelten Produkten im letzten Jahr wieder gestiegen. FFH konstatierte sogar ein Plus von elf Prozent und einen Gesamtumsatz von 2,6 Milliarden Euro. Dieser Zuwachs beruhe vor allem auf höheren Absatzmengen bei Kaffee und Schokolade. Mit 37,7 Prozent machte Kaffee im vergangenen Jahr den mit Abstand größten Anteil am Gesamtumsatz fair gehandelter Produkte in Deutschland aus. Am deutschen Kaffeemarkt insgesamt hat der faire Kaffee hingegen nur einen Anteil von sechs Prozent. Und: Von dem fairen Kaffee, der insgesamt produziert wird, kann am Ende nur ein Drittel zu fairen Konditionen verkauft werden.

Aus Sicht von FFH-Geschäftsführer Matthias Fiedler gibt es »Fortschritte, aber auf das Große und Ganze bezogen, sind diese Schritte viel zu klein. Für den Fairen Handel heißt das, er muss weiter Konsumentinnen und Konsumenten davon überzeugen, dass es zu fairen Produkten keine Alternative gibt und damit die Nachfrage steigern.« Es sei ein großer »Wermutstropfen«, dass in Deutschland pro Kopf und Jahr gerade einmal 31 Euro für fair gehandelte Produkte ausgegeben wird. Das sei ungefähr soviel wie ein Restaurantbesuch, so Fiedler bei der Jahrespressekonferenz am Donnerstag. Was er nicht sagte, die meisten verkneifen sich wahrscheinlich auch den. So meldete das Nürnberg-Institut für Marktentscheidungen (NIM) am Donnerstag einen weiteren Anstieg der Sparneigung in Deutschland infolge wirtschaftlicher Unsicherheit. Dpa meldete gleichentags unter Verweis auf das Kölner Forschungsinstitut EHI, dass Diebstahlsfälle von Kaffee im letzten Jahr wegen der gestiegenen Preise noch einmal drastisch zugenommen hätten.

Zurück zum Fairen Handel. Kommen die gestiegenen Weltmarktpreise bei den Produzenten an? Laut FFH-Vorstandsvorsitzender Andrea Fütterer ja. Aber die Produzenten hätten aufgrund schlechterer Ernten auch weniger anzubieten. Hinzu kommt: Auch der faire Handel bleibt von Börsenpreisen abhängig. So bekämen Kooperativen erst sehr spät Kaufzusagen von europäischen Kunden, die bis zuletzt darauf spekulierten, dass die Börsenpreise wieder sinken. Für Kooperativen ist es deshalb teils einfacher, die Ernte direkt an Zwischenhändler zu verkaufen. Das könne wiederum dazu führen, dass Verkaufsvereinbarungen mit Großabnehmern nicht eingehalten werden können. Hinzu kommt, Kooperativen verschuldeten sich für Investitionen in Klimaanpassung, aber auch wegen steigender Transportkosten infolge unsteter Handelswege (Umwege infolge der Sperrung des Suezkanals, längere Lagerung in Häfen). Die Abwicklung werde komplexer, so Fütterer.

Noch ein Knackpunkt: Der Umsatzzuwachs verlief vor allem über den Verkauf in Discountern und Drogeriemärkten. Die Machtkonzentration im Agrar- und Lebensmittelsektor sorgt dafür, dass der Druck an den Anfang der Lieferkette weitergegeben wird. Das bedeutet, so Fiedler, Höfesterben in Deutschland und Entsprechendes im globalen Süden. Laut Fiedler sei es auch immer Anspruch des Fairen Handels gewesen, »aktiv die sozial-ökologische Wende mitzugestalten«. Dazu müsse der Faire Handel »politisch wirksamer werden«. Im Laufe der Zeit hätte es zwar Fortschritte (etwa das deutsche Lieferkettengesetz, schärferes Kartellrecht) gegeben, derzeit sehe er aber vor allem eine neue Phase der allgemeinen Deregulierung (unter anderem die Blockade des europäischen Lieferkettengesetzes). Ein paar Vorschläge des FFH sind – auch wenn sie der Marktlogik verhaftet bleiben – interessant. So sprach sich Fiedler für eine Sektoruntersuchung des gesamten Lebensmittelhandels aus, mit dem Fusionskontrollen und Entflechtungen von Unternehmen einhergehen könnten. Er forderte eine Preis- und Margenbeobachtungsstelle. Aber selbst solche Reformen sind keine Fragen des Konsums, sondern der Kräfteverhältnisse im Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit.

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