Souper am Stadtrand
Von Kristian Stemmler
Vor den Kameras stellten beide Männer am Mittwoch abend die sogenannte deutsch-französische Freundschaft zur Schau. Beim gut dreistündigen abendlichen Arbeitsessen – dem Vernehmen nach wurde Kalbsrücken mit Sommergemüse, Pfifferlingen und Gnocchi gereicht – in einer einst für den Großindustriellen Ernst Borsig errichteten herrschaftlichen Villa am Tegeler See standen allerdings Themen auf der Agenda von Kanzler Friedrich Merz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, bei denen die Einigkeit geringer ist. Macron war erstmals seit dem Regierungswechsel in Deutschland.
Im Gegensatz zur deutschen hat Macrons Regierung eine gemeinsame Erklärung von inzwischen 29 Staaten unterzeichnet, in der von der israelischen Armee ein sofortiges Ende des Tötens im Gazastreifen gefordert und die israelische Regierung für ihr Vorgehen scharf kritisiert wird. Öffentlich wurden diese Differenzen am Mittwoch nicht thematisiert. Regierungssprecher Stefan Kornelius erklärte anschließend, Merz und Macron appellierten gemeinsam an die israelische Regierung, »einen Waffenstillstand sofort einzuleiten und humanitäre Maßnahmen in unmittelbarer Nähe zu ergreifen«.
Kanzleramtschef Thorsten Frei war am Mittwoch im ZDF stärker ins Detail gegangen. Er hatte erklärt, dass die Abfolge der nötigen Schritte in der gemeinsamen Erklärung nicht klar genug gewesen sei. Die Bundesregierung habe ihre Bedenken über die schlechte humanitäre Lage der palästinensischen Zivilbevölkerung sowohl öffentlich als auch gegenüber der israelischen Regierung klargemacht.
Bei der Entwicklung des »Zukünftigen Luftkampfsystems« (Future Combat Air System, FCAS), an der neben den beiden Ländern noch Spanien beteiligt ist, herrscht ebenfalls kein Konsens. Der französische Akteur im FCAS-Konsortium, Dassault Aviation, fordert inzwischen statt des Drittels, das für jeden der drei Staaten verabredet wurde, einen Anteil von 80 Prozent am Projekt. Kornelius sagte, die »deutsche Erwartung« sei, »dass sich Dassault an die bestehenden Vereinbarungen hält«. Merz und Macron beauftragten ihre Verteidigungsminister, bis Ende August Lösungsvorschläge vorzulegen.
Zur Situation in der Ukraine habe es zwischen dem Präsidenten und dem Kanzler eine »lange und intensive Debatte« zur Situation in dem Land gegeben, bei der es nicht nur um militärische Unterstützung, sondern auch um die innenpolitische Lage gegangen sei, berichtete Kornelius. Die Regierungschefs seien sich einig gewesen, »dass sie die Gespräche über die Korruptionsbekämpfung mit dem ukrainischen Präsidenten intensiv führen werden« – auch mit Blick auf die EU-Ambitionen der Ukraine.
Geeint traten Merz und Macron beim Thema Zollstreit mit den USA auf. Sie drohten mit Gegenmaßnahmen auf mögliche US-Zölle. Paris und Berlin seien sich einig, »dass sie sich weitere handelspolitische Instrumente vorbehalten, sollten die Verhandlungen nicht zu einem Erfolg führen«, erklärte der Sprecher. Dabei seien sie auch bereit, »neue Maßnahmen zu entwickeln«. »Wir teilen das Ziel der Stabilität und der niedrigstmöglichen Zölle«, sagte Macron mit Blick auf die Gespräche der vergangenen Tage mit weiteren Spitzenpolitikern europäischer Staaten. Die USA wollen zum 1. August Zölle von 30 Prozent auf EU-Waren erheben.
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