Einmischung unerwünscht
Von Holger Elias
Die diplomatischen Spannungen zwischen Brasilien und den Vereinigten Staaten haben sich zugespitzt, nachdem Washington am vergangenen Freitag Visasanktionen gegen Mitglieder des brasilianischen Obersten Gerichtshofs verhängt hatte. Der Schritt erfolgt als Reaktion auf strafrechtliche Maßnahmen gegen den früheren Präsidenten Jair Bolsonaro, dem vorgeworfen wird, einen Staatsstreich geplant und dabei um Hilfe aus dem Ausland – insbesondere von US-Präsident Donald Trump – geworben zu haben.
In einer scharf formulierten Stellungnahme bezeichnete Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva die US-Sanktionen am Sonnabend als »willkürlich« und »haltlos«. Er erklärte, dass jede Form ausländischer Einmischung in die brasilianische Justiz »inakzeptabel« sei und gegen »grundlegende Prinzipien der gegenseitigen Souveränität« verstoße.
»Ich bin überzeugt, dass keine Einschüchterung – von welcher Seite auch immer – die wichtigste Aufgabe unserer demokratischen Institutionen kompromittieren wird: die Verteidigung und Aufrechterhaltung der Rechtsstaatlichkeit in Brasilien«, so Lula in einer am Sonnabend veröffentlichten Erklärung.
Die Sanktionen wurden zunächst gegen Richter Alexandre de Moraes, dessen Familie und weitere ungenannte Justizangehörige ausgesprochen. Wie Brasiliens Ministerin für institutionelle Beziehungen, Gleisi Hoffmann, bestätigte, sind mittlerweile insgesamt acht von elf Richtern des Obersten Gerichtshofs von Visasperren betroffen – darunter auch Gerichtspräsident Luis Roberto Barroso sowie die Richter Dias Toffoli, Cristiano Zanin, Flavio Dino, Carmen Lucia, Edson Fachin und Gilmar Mendes.
Auch Generalstaatsanwalt Paulo Gonet soll nach Angaben von Brasiliens Generalanwalt Jorge Messias von den Maßnahmen betroffen sein. Dieser bezeichnete die US-Entscheidung auf der Onlineplattform X als »niederträchtige Verschwörungstat«, die aber weder die Unabhängigkeit der Justiz noch deren verfassungsmäßige Pflichten beeinträchtigen werde.
Die Reaktion Washingtons erfolgte einen Tag nach einer richterlichen Entscheidung von Alexandre de Moraes, der gegen Bolsonaro Durchsuchungen und weitreichende Beschränkungen anordnete. Der Expräsident wurde mit einer elektronischen Fußfessel ausgestattet, darf keine sozialen Medien nutzen, keine Botschaften betreten und keine Kontakte zu ausländischen Beamten aufnehmen – insbesondere nicht zu US-Offiziellen. Auch der Kontakt zu seinem Sohn Eduardo Bolsonaro, derzeit auf Unterstützungssuche in Washington, wurde untersagt.
In einem exklusiven Reuters-Interview zeigte sich Bolsonaro unbeeindruckt: »Sie wollen mich aus dem politischen Spiel nehmen«, sagte er. »Aber ich bin derjenige, der Lula, China und diese Zölle stoppen kann.« Trotz der gerichtlichen Auflagen betonte er, ein Treffen mit Trump anzustreben – sobald er seinen von der Polizei konfiszierten Reisepass zurückerhalte.
Seine scharfe Kritik richtete sich gegen Richter de Moraes, den er erneut einen »Diktator« nannte. Das Tragen der Fußfessel empfinde er als »höchste Demütigung«. »Ich bin 70 Jahre alt, war Präsident dieser Republik – und jetzt das«, sagte Bolsonaro, der derzeit wegen des Vorwurfs vor Gericht steht, die Wahl 2022 durch einen Staatsstreich rückgängig machen zu wollen.
US-Präsident Donald Trump hatte in einem Brief an Bolsonaro erklärt, dass der Prozess gegen seinen »Freund« sofort beendet werden müsse und kündigte als Druckmittel 50 Prozent Strafzölle auf brasilianische Waren ab dem 1. August an. Auf seiner Plattform Truth Social schrieb Trump am Donnerstag vergangener Woche: »Ich habe gesehen, wie ungerecht du von einem System behandelt wirst, das sich gegen dich gewendet hat. Dieser Prozess muss sofort gestoppt werden!«
Moraes interpretiert die Zollandrohung in seiner Entscheidung als gezielten Versuch der USA, Brasiliens Justiz durch wirtschaftliche Erpressung zu beeinflussen. Aus Sicht des Gerichts stellt Bolsonaros Versuch, eine ausländische Macht in ein innerstaatliches Verfahren einzubeziehen, einen Angriff auf die nationale Souveränität dar.
In einem Interview mit Reuters sagte Bolsonaro, er sei der einzige, der den wachsenden Einfluss Chinas in Lateinamerika stoppen könne – »sofern ich die Unterstützung einer kriegerischen, nuklear bewaffneten Nation im Norden habe«, wie er andeutete. Die BRICS-Staaten bezeichnete er als »Bruderschaft von Diktaturen und Kriegsverbrechern«.
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