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Aus: Ausgabe vom 21.07.2025, Seite 15 / Politisches Buch
KI, Rüstung und Kapital

»Wertschöpfung« durch Krieg

Eine Studie über den Aufstieg der deutschen Rüstungs-»Startups«
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Alles im Blick: Eine Aufklärungsdrohne der Firma Quantum Systems wird auf der Messe in Düsseldorf vorgeführt (19.2.2025)

Die sogenannte künstliche Intelligenz (KI) kann danebenhauen. »Ausdrücklich möchten wir darauf hinweisen, dass selbst die vermeintlichen Zitate der ›VerfasserInnen der Studie‹ tatsächlich nicht vom Verfasser und auch nicht aus der Studie selbst stammen«, heißt es am Anfang einer in der Schriftenreihe der Tübinger Informationsstelle Militarisierung erschienenen Studie von Franz Enders, die sich mit dem Aufstieg der mit den Entwicklungen im KI-Sektor verknüpften Rüstungs-»Startups« in der Bundesrepublik befasst. Der Warnhinweis bezieht sich auf eine dokumentierte »KI-generierte Pressemitteilung«, die den Inhalt der Studie »zusammenfassen« sollte.

KI und Drohnen spielten in der Aufrüstungsdebatte eine große Rolle, schreibt Enders. Dennoch blieben – sieht man von dem »regelrechten Hype« in »kapitalnahen Publikationen« ab – die hierfür einschlägigen »Akteure der aktuellen Aufrüstung noch weitgehend unter dem Radar der öffentlichen Beobachtung«.

Der Autor nimmt die Entwicklungen bei den deutschen »Startups« in den Blick, die es geschafft haben, sich vor dem Hintergrund des Ukraine-Krieges binnen kurzer Zeit »zu ernstzunehmenden Playern in der Rüstungsindustrie zu mausern«. Gleich zu Beginn des Krieges habe sich gezeigt, dass es möglich und »extrem effektiv« sei, vergleichsweise billige und schnell produzierte Drohnen gegen teures Kriegsgerät einzusetzen. Das führte zur Entstehung einer leistungsfähigen (und weitgehend deregulierten) Drohnenindustrie in der Ukraine, rief aber »auch ausländische Unternehmen auf den Plan«. Auf deutscher Seite waren das »auf neue Technologie spezialisierte Startups« wie »Quantum Systems und sein Ableger Stark Defence, Helsing, Arx Robotics, Alpine Eagle und Autonomous Teaming, außerdem unzählige kleinere Startups und Zulieferbetriebe«. Alle genannten Unternehmen haben »interessanterweise ihren Hauptsitz im Großraum München«.

Helsing, das sich vor allem als »militärischer Softwarehersteller« verstehe, sei inzwischen das »wertvollste deutsche Startup«. Etwas unklar sei, »wie genau der rasante Aufstieg von Helsing möglich war (konkret: woher technisches Wissen, taktische Erfahrung, Trainingsdaten für die eingesetzte KI etc. kamen)«. »Bemerkenswert früh« erhielt das Unternehmen einen Großauftrag zur Ausstattung der »Eurofighter«, erzielte seinen Durchbruch aber schließlich mit KI-gesteuerten Drohnen. Diese sind auch dort einsetzbar, wo Störsender den Einsatz von Drohnen, die aus der Ferne von einem »Drohnenpiloten« ins Ziel gesteuert werden müssen, erschweren oder unmöglich machen. »Reichlich nebulös«, schreibt Enders, »bleiben dabei die angelegten ›ethischen Standards‹«.

Der Autor konstatiert eine »Fraktionierung in der Rüstungsbranche«. Zentral für die Startups sei insbesondere die »europäische strategische Autonomie«. Während etwa Rheinmetall ein Interesse an der Pflege der transatlantischen Rüstungsbeziehungen habe, lobbyierten die Wortführer der Startups »aktuell für ein Ende solcher Beziehungen und eine ausschließlich innereuropäische Wertschöpfung«. Propagierte Projekte wie der »Drohnenwall« an der NATO-»Ostflanke« hätten auch mit der Sorge zu tun, dass mit einem Ende des Krieges in der Ukraine »der Höhenflug der Münchener Waffenschmieden ein jähes Ende haben könnte, wenn man nicht Bundeswehr und NATO zur Umstellung ihrer Strategie auf eine Hightech- und Drohnenarmee bewegen kann«.

Abschließend verweist Enders auf die Chefs der »US-amerikanischen Defence-Tech-Riesen« und deren »hohe Strahlkraft in die politische Rechte sowie libertäre Tech-Bubbles«. Auch durch die Statements des deutschen Startuppersonals ziehe sich ein »tiefes Misstrauen in politische Prozesse und eine ähnliche Tech-Gläubigkeit«. Der Autor empfiehlt eine »tiefere ideologiekritische Auseinandersetzung«. (jW)

IMI-Studie, Nr. 2/2025, 16 Seiten, Bezug: Informationsstelle Militarisierung (IMI) e. V., Hechinger Str. 203, 72072 Tübingen, kostenloser PDF-Download über www.imi-online.de

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