Luftnummer als Wahlmanöver
Von Susanne Knütter
Was soll die Aufregung in der Hauptstadtpresse? Am Sonnabend skandalisierte Bild einen Vorschlag der Berliner SPD-Fraktion für ein Enteignungsgesetz, nach dem angeblich nicht nur »Immobilien«, sondern auch »Produktionsmittel« verstaatlicht werden könnten. Dabei gehe es um die unmittelbare Deckung eines öffentlichen Bedarfs der Daseinsvorsorge ohne Gewinnabsicht. Das könne z. B. die Versorgung mit Wohnraum, Energie, Wasser, Wärme, Müllabfuhr, den ÖPNV, Post und Telekommunikation betreffen. Bekommen würden die Eigentümer nicht den aktuellen Verkehrswert, sondern weniger. Organisieren sollen das verschiedene Vergesellschaftungsbehörden.
Von Sozialismus und »Lektüre wie aus der DDR« redeten Kritiker am Wochenende. Der regierende Bürgermeister, Kai Wegner, distanzierte sich klar von dem Entwurf für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz. Mit ihm werde es keine Enteignungen geben, postete Wegner auf X. Die Generalsekretärin der Berliner CDU fragte, ob die SPD »auf Abwegen« sei und sich »gerade als Mehrheitsbeschafferin für einen Regierenden Bürgermeister der Linkspartei« anbiedere. Nicht komplett abwegig. Denn erst im Juni hatten sich die regierenden Parteien aus Union und SPD auf Eckpunkte für die Umsetzung des erfolgreichen Volksentscheids »Deutsche Wohnen und Co. enteignen« aus dem Jahr 2021 geeinigt. Darin haben sie sich u. a. eine Zwei-Jahresfrist und die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht auferlegt.
Rainer Balcerowiak, Pressesprecher der Berliner Mietergemeinschaft (BMG), hält den Vorstoß der SPD für eine »verzweifelte Luftnummer«. Die Partei habe sich eindeutig gegen die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteignung großer Immobilienbestände positioniert und gerade erst mit der CDU die weitere Verschleppung auf den Weg gebracht, so Balcerowiak am Sonntag gegenüber jW. Und jetzt habe man »die Angst im Nacken, bei den nächsten Wahlen in Berlin, wo die Wohnungsnot eine zentrale Rolle spielen wird, noch weiter abzuschmieren«.
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