Von Siedlern zu Tode geprügelt
Von Gerrit Hoekman
Wie jeden Sommer wollte der Anfang 20jährige seine Familie in der von Israel besetzten Westbank besuchen: Am Freitag wurde der in Florida geborene palästinensische US-Amerikaner Saifollah Musallet von radikalen Siedlern totgeprügelt. Bei demselben Angriff starb nach Angaben des Gesundheitsministeriums der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah auch der 23jährige Mohammed Risk Hussein Al-Schalabi durch einen Schuss in die Brust. Das US-Außenministerium teilte mit, dass ihm die Berichte über den Tod eines US-Bürgers im Westjordanland bekannt seien und dass es »keine höhere Priorität als die Sicherheit von US-Bürgern im Ausland« gebe.
»Jeder andere Mord an einem amerikanischen Bürger ist von der amerikanischen Regierung ungestraft geblieben, weshalb die israelische Regierung weiterhin mutwillig amerikanische Palästinenser und natürlich auch andere Palästinenser tötet«, erklärte demgegenüber Edward Ahmed Mitchell von der größten muslimischen US-Bürgerrechtsorganisation Council on American-Islamic Relations. Laut dem US-Portal Zeteo wurden seit dem 7. Oktober 2023 mindestens sieben US-Amerikaner in den besetzten palästinensischen Gebieten und im Libanon getötet.
Die Armee behauptet, die Palästinenser hätten zuerst Steine geworfen und zwei Personen leicht verletzt. Die darauf folgende »gewalttätige Konfrontation (…) beinhaltete Vandalismus an palästinensischem Eigentum, Brandstiftung, körperliche Auseinandersetzungen und Steinwürfe«, zitierte die Times of Israel. Armee und Polizei hätten daraufhin die Unruhe mit »Mitteln der Aufstandsbekämpfung« aufgelöst. Zwei Siedler, ein Reservist, zwei Aktivisten der israelischen Linken und ein Einwohner von Sindschil sind nach Angaben der Polizei festgenommen worden. Bis auf letzteren befinden sich alle wieder auf freiem Fuß. Die beiden Aktivisten dürfen 15 Tage nicht in die Westbank einreisen.
Palästinensischen Augenzeugen zufolge ging die Gewalt eindeutig von den Siedlern aus. Einwohner aus Sindschil hätten gegen die Errichtung eines völkerrechtswidrigen Außenpostens demonstriert. Daraufhin seien die Siedler mit Steinen, Stöcken und Baseballschlägern auf die Protestierenden losgegangen. Ihr Sohn habe »das Land seiner Familie vor Siedlern geschützt, die es zu stehlen versuchten«, hieß es in einer Erklärung der Familie Musallets in Florida. Ein Mob aus Siedlern habe den verletzten 20jährigen drei Stunden lang umringt und verhindert, dass ihm rechtzeitig geholfen werden konnte.
Erst vor einer Woche waren eine Korrespondentin der Deutschen Welle und ihr Kameramann in Sindschil von Siedlern mit Steinen angegriffen und verfolgt worden, als sie über einen palästinensischen Protestmarsch berichten wollten. Die beiden blieben unverletzt, ihr Auto wurde allerdings stark beschädigt. Sindschil liegt nördlich von Ramallah in dem Gebiet der Westbank, das von der Palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet wird. Israelische Behörden haben unlängst einen Zaun errichtet, der Teile des Dorfes von der Straße Nummer 60 abschneidet, die das Westjordanland in Nord-Süd-Richtung durchquert. Einige Einwohner können deshalb Sindschil nicht mehr erreichen.
Angestachelt durch die ultrarechten Kräfte in der Regierung nimmt die Siedlergewalt bisher ungekannte Ausmaße an. Das Ziel ist es, weitere Teile der illegal besetzten Westbank in Besitz zu nehmen. Am Sonntag errichteten Siedler in der Nähe des Dorfes Minja südlich von Bethlehem einen neuen Außenposten auf dem Land palästinensischer Bauern, berichtete WAFA, die amtliche Nachrichtenagentur der Palästinensischen Nationalbehörde. Dabei entwurzelten sie rund 1.500 Olivenbäume.
Nur einen Tag zuvor hatten sie im nahegelegenen Wadi Sair das Fahrzeug eines Palästinensers in Brand gesteckt und Solarzellen zerstört. »Was hier geschieht, ist eine gefährliche Eskalation der Zwangsvertreibungen. Seit Wochen ist unsere Region wiederholten Angriffen der Kolonisten ausgesetzt«, erklärte der Vorsitzende des Dorfrats von Minja gegenüber WAFA. Nach Angaben der palästinensischen Behörden sind seit Anfang des Jahres 23 neue Siedlungen errichtet worden. »Im gleichen Zeitraum wurden 2.153 Angriffe von Siedlern registriert, bei denen vier Palästinenser getötet wurden«, vermeldete WAFA am Montag.
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