Souveränität in Frage gestellt
Von Karin Leukefeld, Beirut
Während Israel täglich im Libanon bombardiert, üben die USA Druck auf Beirut aus. Sollte die Entwaffnung der Hisbollah nicht zügig stattfinden, könnte es Libanon bald nicht mehr geben, erklärte der US-Botschafter in der Türkei, Tom Barrack, der als Sonderbeauftragter des US-Präsidenten Donald Trump auch für Syrien und Libanon zuständig ist.
Im Gespräch mit der in Dubai erscheinenden Tageszeitung The National sagte Barrack am Freitag, wenn Libanon die Hisbollah nicht entwaffne, könnte es von »regionalen Mächten übernommen werden«. Israel befinde sich auf der einen Seite, der Iran auf der anderen Seite und Syrien entwickele sich sehr schnell, so Barrack. Wenn das Land sich nicht bewege, könnte es »wieder Bilad al Sham werden«. Die Syrer betrachteten den Libanon als ihren »Badestrand«. Der Begriff »Bilad al Sham« verweist auf den historischen Namen der Region, die auch als Syrien-Palästina bekannt ist und bis zum Ersten Weltkrieg eine arabische Provinz des Osmanischen Reiches war.
Die Äußerung des US-Sonderbeauftragten wurde vom Parlamentsabgeordneten Simon Abi Ramia scharf zurückgewiesen: »Ob es sich nun um einen schlechten Witz, ein teuflisches Ziel oder eine böswillige Drohung handelt, das ewige Land Libanon gehörte nie und wird nie zu den Ländern der Levante oder einem anderen Land gehören.« Der Libanon sei ein souveränes und unabhängiges Land, und das sei »unser Versprechen, unser Schicksal und unsere Entscheidung«.
Barrack, ein Geschäftsmann libanesischer Herkunft, der als Diplomat fungiert, relativierte tags darauf seine Aussage auf X. Sein Kommentar sollte die »beeindruckenden Errungenschaften Syriens loben« und sei »keine Drohung gegen den Libanon«, teilte er mit. Syrien bewege sich in »Lichtgeschwindigkeit, um die historische Gelegenheit zu nutzen, die der US-Präsident mit der Aufhebung der Sanktionen« geboten habe, so Barrack. Es gebe Investitionen aus der Türkei und von den arabischen Golfstaaten, Syrien zeige »diplomatische Offenheit gegenüber den Nachbarländern und eine klare Zukunftsvision«.
Unterstützung erhielt Barrack von Samir Geagea, Vorsitzender der Libanesischen Kräfte und verurteilt für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschheit während des libanesischen Bürgerkriegs (1975–1990). Die Regierung müsse endlich einen Staat im Libanon errichten, der die Verantwortung für das Land übernehmen könne, sagte Geagea laut einem Bericht in der Nationalen Nachrichtenagentur des Libanon. Es sei »offensichtlich, dass die internationale Politik insgesamt in Verbindung mit einem nahezu einhelligen Konsens der arabischen Länder daran arbeitet, die Lage in der Region zu ordnen«. Möglich sei, dass Libanon – wie schon früher – wieder unter syrische Kontrolle gestellt werde, sagte Geagea unter Verweis auf den »Verteidigungs- und Sicherheitspakt«, der 1991 zwischen Libanon und Syrien vereinbart worden war. Sollte es der libanesischen Regierung nicht gelingen, die staatliche Autorität durchzusetzen, werde Libanon »ein Schlachtfeld« bleiben.
Der stellvertretende Vorsitzende des politischen Rates der Hisbollah, Mahmoud Qomati, erklärte, man werde die Waffen nicht übergeben, weil das gleichbedeutend damit sei, die Souveränität des Libanon aufzugeben. Man habe dem US-Vertreter deutlich gemacht, man werde über die Waffen nicht verhandeln, solange das Abkommen über die Waffenruhe nicht eingehalten werde. Das gelte für Präsident Joseph Aoun, Ministerpräsident Nawaf Salam und Parlamentssprecher Nabih Berri und sei mit der Hisbollah abgesprochen. Naim Qassem, Vorsitzender der Hisbollah, hatte wiederholt bekräftigt, »solange die Aggression Israels anhält, kann die Hisbollah nicht aufgefordert werden, die Waffen niederzulegen«.
Israel setzt derweil seine Angriffe gegen Libanon fort. Aufklärungs- und Killerdrohnen überfliegen das Land 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche. Täglich werden Menschen getötet und Fahrzeuge sowie wiederaufgebaute Häuser vorwiegend im Süden des Landes zerbombt. Der israelische Außenminister Gideon Saar bot gleichzeitig eine »Normalisierung der bilateralen Beziehungen an«, was der libanesische Präsident Aoun zurückwies. Libanon wolle friedlich mit allen Nachbarn leben, so Aoun. Doch für den Libanon herrsche derzeit Krieg. Normale Beziehungen seien erst möglich, wenn der Krieg ende und Israel sich vollständig aus dem Libanon zurückgezogen habe.
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