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Aus: Ausgabe vom 14.07.2025, Seite 2 / Ausland
Wirtschaftskrise in Honduras

»Viele Menschen verlassen Honduras«

USA will Honduranern temporären Schutzstatus entziehen. »Reformpolitik« Castros gescheitert. Ein Gespräch mit Ileana Morales
Interview: Thorben Austen
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Menschen aus Honduras bei einer Kundgebung in San Francisco (12.3.2018)

US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, Menschen aus Honduras den temporären Schutzstatus zu entziehen, den diese nach dem Hurrikan »Mitch« 1999 erhalten hatten. Betroffen sind Medienberichten zufolge bis zu 72.000 Menschen. Welche Konsequenzen hätte das?

Zunächst einmal muss man sagen, die billige Arbeitskraft aus Honduras ist unser größtes »Exportprodukt«. Die jungen Menschen, natürlich vor allem aus den armen Schichten, verlassen Honduras wegen der fehlenden Möglichkeiten, der fehlenden Entwicklung und der Unsicherheit. Kein anderes Exportprodukt, seien es landwirtschaftliche Erzeugnisse oder Kleidung aus den Maquilas (Montagebetriebe, jW), hat die wirtschaftliche Bedeutung wie die Remesas, die Rücküberweisungen von Angehörigen nach Hause. Aktuellen Zahlen zufolge machen die Remesas 26 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Die jetzt von den USA geplanten Massenabschiebungen können von der schwachen Ökonomie in Honduras nicht aufgefangen werden, und verbunden mit dem Verlust der Remesas kann dies zu zahlreichen humanitären Tragödien führen. Sicher, »Mitch« ist lange her, aber die wirtschaftliche Lage im Land hat sich seitdem nicht entscheidend verbessert.

In den ersten fünf Monaten des Jahres 2025 wurden knapp 16.000 Menschen aus den USA nach Honduras abgeschoben, ein Plus von 9,2 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum im Jahr 2024. Die Regierung von Präsidentin Xiomara Castro hat ein Programm aufgelegt»Bruder und Schwester, komm nach Hause« –, das finanzielle Hilfen und Unterstützung bei der Arbeitssuche anbietet. Wie sehen Sie diese Aktionen und die Haltung der Regierung gegenüber Trump?

Die Regierung von Xiomara Castro hat verstanden, dass eine offene Konfrontation mit der US-Regierung weitreichende wirtschaftliche Folgen haben wird. Die USA sind der größte Importeur von Produkten aus Honduras. Ich glaube, die Regierung unterschätzt die Dimensionen, die die Maßnahmen der Regierung Trump – die Massenabschiebungen und die Strafzölle – für Honduras haben werden. Was das Programm der Regierung Castro angeht, glaube ich, dass das nicht ausreichend durchdacht ist. Zum Beispiel wird ein Startkapital für Kleinunternehmen von 1.000 US-Dollar in Aussicht gestellt. Das kann einzelnen helfen, aber nicht denen, die aktuell vom Auslaufen des temporären Schutzstatus betroffen sind. Das sind Menschen, die legal in den USA lebten und im Vergleich zu anderen Migranten hohe Bildungsmöglichkeiten hatten; ihnen müssten andere Arbeitsstellen angeboten werden.

Wie bewerten Sie die Regierungszeit Xiomara Castros, die im November endet? Sie begann 2021 mit großen Erwartungen.

Richtig, die Regierung ist mit großen Erwartungen gestartet, ohne diese erfüllen zu können. Ich sehe keine Verbesserungen für die breiten Volksschichten, am wenigsten für die Landbevölkerung, die die größte Unterstützerin der Partei Libre (Libertad y Refundación, Freiheit und Neugründung, jW), der Partei Castros, war. Die Landreform ist kein Thema mehr, es gibt kein Ende der Konzessionen für Großprojekte, außerdem werden Aktivisten, die sich für Landrechte und Umweltschutz einsetzen, weiter kriminalisiert. Ebensowenig gibt es Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung, obwohl die entsprechende Transparenz der Behörden versprochen wurde. Die angekündigte »Neugründung« des Landes hat nicht stattgefunden. Im Gegensatz zu ihren Vorgängern findet allerdings aktuell unter Castro keine offene Unterdrückung von Demonstrationen durch Polizei und Militär statt.

Eine unter dem Strich ernüchternde Bilanz. Konnte oder wollte die Regierung nicht?

Es ist eine Mischung aus beidem. Ich denke, dass sich um die Partei Libre eine neue politische Klasse entwickelt hat, die selbst in Korruption und Kontakten zur organisierten Kriminalität verstrickt ist. Wir wollten als Organisation unabhängige Kandidaten für Bürgermeisterämter aufstellen, aber bis auf eine Kandidatur wurde diese alle vom Nationalen Wahlrat abgelehnt. Angeblich seien die gesammelten Unterstützerunterschriften nicht alle korrekt. Wir gehen aber juristisch dagegen vor.

Ileana Morales ist Mitglied der Leitung der »Breiten Bewegung für Gerechtigkeit und Würde« (Movimiento Amplio por la Dignidad y la Justicia, MADJ) in Honduras

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