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Aus: Ausgabe vom 12.07.2025, Seite 8 / Ansichten

Symbolischer Schritt

Entwaffnungszeremonie der PKK
Von Nick Brauns
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Guerillakämpfer werfen am Freitag ihre Waffen in eine Feuerschale (Sulaimanija)

Eine Gruppe von Kämpferinnen und Kämpfern der Arbeiterpartei Kurdistans PKK hat am Freitag bei einer Zeremonie mit internationalen Beobachtern in der Kurdistan-Region des Irak ihre Kalaschnikows zerstört. Anschließend zogen sich die Guerillas wieder zurück in die Berge. Denn ein Amnestiegesetz, dass ihnen die Rückkehr in die Türkei ermöglichen würde, gibt es bislang nicht. Auf den Friedensaufruf des inhaftierten PKK-Gründers Abdullah Öcalan sowie der daraufhin von einem Parteikongress beschlossenen Einstellung des bewaffneten Kampfes und der Selbstauflösung erfolgten bislang keinerlei konkrete Schritte der türkischen Seite. Im Gegenteil: Auch am Freitag bombardierten Kampfflugzeuge Guerillastellungen im Nordirak. Die Regierung in Ankara nutzt den relativen Frieden an der inländischen kurdischen Front, um reihenweise Bürgermeister der größten Oppositionspartei CHP zu inhaftieren. All das verdeutlicht, dass es ihr primär um Befriedung statt Frieden, um Machterhalt statt Demokratie geht.

Und doch waren sich in der Türkei Politiker der prokurdischen Dem-Partei und Faschistenführer Devlet Bahceli einig, dass es sich bei der Entwaffnungszeremonie um ein »historisches« Ereignis handle. Öcalan habe »seine Zusagen eingehalten und die globalen und regionalen Bedrohungen rechtzeitig erkannt«, lobte Bahceli. Dass der ultrarechte Allianzpartner von Präsident Erdoğan nun auf den einflussreichen Gefangenen, dessen Hinrichtung er lange gefordert hatte, zugegangen ist, folgt aus seiner Einschätzung eines »Rings aus Feuer«, der die Türkei in der sich rapide wandelnden Weltordnung umgebe. Angesichts dieser äußeren Gefahr gelte es, die Reihen im Innern zu schließen. Einigkeit herrscht zwischen den bisherigen Antipoden bezüglich der Rolle Israels, das zur dominierenden Kraft bei der Umsetzung von US-Neuordnungsplänen im Nahen Osten aufgebaut werde. Nach Gaza, Libanon und Syrien seien nun Iran und die Türkei an der Reihe, hatte Öcalan laut einem kürzlich geleakten Gesprächsprotokoll gewarnt. Er könne verhindern, dass die Kurden dabei unter den Einfluss Israels geraten.

Noch ist unklar, zu welcher Gegenleistung sich der Staat in den Geheimgesprächen auf der Gefängnisinsel Imrali bereit erklärt hat. Doch mit der symbolischen Entwaffnungszeremonie wurden die Bilder geliefert, die die türkische Führung braucht, um mögliche Zugeständnisse vor ihrer nationalistischen Anhängerschaft legitimieren zu können.

Man sollte die kurdische Bewegung nicht für naiv halten: Liefert Ankara nicht, bleiben die Guerillakämpfer in den Bergen. Tatsache ist aber auch, dass der bewaffnete Kampf innerhalb der Türkei schon seit Jahren keine Rolle mehr spielt. Wenn dem Staat nun der Terrorismusvorwurf zur Verfolgung jeglicher fortschrittlicher Opposition aus der Hand genommen wird, verbessern sich zumindest die Bedingungen für den Massenkampf um eine demokratische Republik Türkei.

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