Sánchez’ Flucht nach vorn
Von Carmela Negrete
Pedro Sánchez ist bekannt als Überlebenskünstler. Immer wieder wurde er für politisch tot erklärt – und stand doch wieder auf. Derzeit befindet er sich angesichts des großen Korruptionsskandals, in den seine Partei verwickelt ist, erneut in einer äußerst komplizierten Lage. Doch offenbar hat der sozialdemokratische Premier seinen Koalitionspartner davon überzeugt, dass es mit ihm einen Neustart in Spanien geben kann. Am Mittwoch stellte er im Parlament – in der letzten Sitzung vor der Sommerpause – eine Reihe von Maßnahmen gegen Korruption vor, die eigentlich schon seit seinem Amtsantritt 2018 nötig waren und vermutlich viel zu kurz greifen werden. 15 Punkte schlägt Sánchez’ Partei PSOE zur Korruptionsbekämpfung vor. Ausschlag dafür gab der jüngste Skandal um den bisherigen Sekretär für Organisation der Partei und rechte Hand des Premiers, Santos Cerdán. Es geht um illegale Kommissionen von Bauunternehmen in Millionenhöhe. Auch der ehemalige Verkehrsminister José Ábalos steht unter Verdacht.
»Man fordert meinen Rücktritt und Neuwahlen. Ich selbst habe diese Optionen in Erwägung gezogen. Es erschien mir als der einfachste Weg für mich und meine Familie. Aber nachdem ich mit vielen Menschen geredet habe, wurde mir klar: Das Handtuch zu werfen ist nie eine Option. Ich mache weiter, weil ich ein ehrlicher Politiker bin, der von den Machenschaften nichts wusste«, begründete Sánchez seine Flucht nach vorn. Eine der vorgeschlagenen Maßnahmen ist die Gründung einer »Agentur für öffentliche Integrität«. Außerdem soll ein neues Gesetz für offene Verwaltung erarbeitet und eine strengere Kontrolle der Parteienfinanzierung eingeführt werden. Whistleblower sollen besser geschützt und härtere Strafen für Korruptionsfälle verhängt werden. Am bedeutendsten ist jedoch der Plan, eine »schwarze Liste« korrupter Unternehmen einzuführen, die nicht mehr für den Staat arbeiten dürfen.
Die Arbeitsministerin und Vizepräsidentin Yolanda Díaz stimmte dem Maßnahmenkatalog stellvertretend für den linksgrünen Koalitionspartner Sumar zu. Ihr Vater Suso Díaz, ein kommunistischer Gewerkschafter aus Galicien, war in dieser Woche gestorben – Sánchez hatte ihr in seiner Rede sein Beileid ausgesprochen. Díaz, die einst als Hoffnung der Linken in Spanien galt, ist in ihren Positionen seit der ersten Legislaturperiode immer weiter Richtung Mitte gerückt. Trotzdem herrscht zwischen dem Sumar-Bündnis und der PSOE Unmut. Díaz’ Rede war davon geprägt, unbedingt verhindern zu wollen, dass durch einen Koalitionsbruch der rechtskonservative Partido Popular (PP) und die ultrarechte Vox an die Macht kommen. Dementsprechend stärkte sie Sánchez den Rücken: »Sie sind ein ehrlicher Mensch, ich weiß, dass Sie ehrlich sind«. Sumar soll an der Erstellung des 15-Punkte-Plans beteiligt gewesen sein.
Unklar ist, wie sich die regionalen Parteien, auf die die Regierungskoalition angewiesen ist, nun verhalten werden. Nach Frontalopposition klangen weder die Reaktion der konservativen baskischen Partei PNV noch die der katalanischen Liberalen von Junts. Mehr Skepsis war von den progressiven Parteien aus den beiden Regionen zu vernehmen, der baskischen Bildu und der katalanischen ERC. Beide zeigten sich jedoch bereit, das Ergebnis der Maßnahmen abzuwarten. Die Regionalpartei aus den Kanaren, Coalición Canaria, forderte dagegen die Vertrauensfrage.
Die linke Oppositionspartei Podemos warf Sánchez vor, keinen wirklichen Neustart zu wollen. Dieser sei ohnehin unmöglich, versicherte Generalsekretärin Ione Belarra: Denn Sánchez habe eine »Hypothek«, wie sie es nennt, bei der NATO unterschrieben, die zu Sozialkürzungen führe.
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