Mordversuch vom Tisch
Von Ariane Müller
Es war der 20. Verhandlungstag des Prozesses gegen das mutmaßlich ehemalige Mitglied der 1998 aufgelösten Roten Armee Fraktion (RAF) Daniel Klette. Angeklagt ist sie unter anderem wegen 13 Geldbeschaffungsaktionen vor dem Landgericht Verden. Am Mittwoch endete der Sitzungsmarathon vor der Sommerpause mit dem Zwischenergebnis, dass der schwerste Vorwurf gegen Klette vom Tisch ist.
Die Verhandlungen über den ersten Tatvorwurf, ein Überfall samt Schüssen auf einen Geldtransporter in Stuhr bei Bremen, bei dem niemand verletzt wurde, sind abgeschlossen worden. Die Staatsanwaltschaft hatte Klette einen Mordversuch unterstellt. Diesbezüglich gab die zuständige Kammer unter dem Vorsitzenden Richter Lars Engelke einen rechtlichen Hinweis ab: Der Vorwurf des Mordversuchs sei nicht haltbar. Die drei Tatverdächtigen seien von der ihnen zur Last gelegten Tötungsabsicht zurückgetreten, hätten den geplanten Überfall von sich aus abgebrochen. Ohnehin konnten bislang weder die Zeugenaussagen noch die Aufnahmen der Überwachungskameras beweisen, dass Daniela Klette, geschweige denn überhaupt eine Frau an dieser Tat beteiligt war.
Das Gericht geht allerdings weiterhin von einem bedingten Tötungsvorsatz aus, dass der Schütze den Tod der Geldtransporteure in Kauf genommen habe. »Leider hat die Kammer den Antrag der Anwälte Klettes auf ein externes Gutachten eines Waffenexperten, mit dem bewiesen werden könnte, dass diese drei Leute niemals jemanden töten wollten, abgelehnt«, kommentierte ein Prozessbeobachter gegenüber jW. Das Gericht war allerdings der Auffassung, dass der Schütze in einer derart dynamischen Situation nicht in der Lage gewesen wäre, Flugbahn und mögliche Folgen vor dem Feuern genau zu berechnen. Es sei »nur dem reinen Zufall zu verdanken«, dass durch die Schüsse niemand verletzt wurde.
Aus den entsprechenden Anträgen geht hervor, dass der zweite Schuss in Richtung Armaturenbrett und nicht auf den Fahrer des Geldtransporters abgegeben wurde. Dies sei anhand des Einschusswinkels, der mindestens 35 Grad von besagtem Fahrer wegweise, belegbar. Lediglich einzelne Projektilteile hätten die geschützte Verglasung sowie die Stahlblechlatte in der Beifahrertür penetriert und seien in ihrer Flugbahn dann überwiegend in Richtung Fahrzeugboden abgelenkt worden. Nur ein Splitter eines Geschossmantels aus Bimetall mit einem Gewicht von 0,51 Gramm habe unvorhersehbar in Richtung der Rückenlehne des Fahrersitzes ausgeschlagen und sei in diesen mit einer geringen Restenergie von aufgerundet nicht mehr als 30 Joule eingedrungen. Das Gutachten der Bundeswehr vom 14. März 2016 war demgegenüber von falschen Voraussetzungen ausgegangen.
Nun geht das Gericht in eine dreiwöchige Sommerpause. Der Prozess wird am 5. August in Verden-Eitze fortgesetzt. Begonnen hatte er am 25. März im Staatsschutzsaal des Oberlandesgerichts Celle. Damals entsprachen die Räumlichkeiten im Landgericht Verden nicht den Sicherheitsansprüchen der Behörden. Inzwischen wurde eine ehemalige Reithalle in Verden-Eitze für sage und schreibe 3,6 Millionen Euro zu einer Festung ausgebaut. Seit Ende Mai findet der Prozess dort statt. Damals kommentierte Ulrich Klinggräff, einer der drei Strafverteidiger von Daniela Klette, gegenüber jW: »Das alles ist Ausdruck eines völlig irrsinnigen und gänzlich unbegründeten Sicherheitswahns.« Zwar würden Gericht und Staatsanwaltschaft stets betonen, es handele sich um ein ganz normales Strafverfahren. Der Öffentlichkeit werde aber das Bild eines »Terrorverfahrens« vermittelt.
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