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Aus: Ausgabe vom 09.07.2025, Seite 15 / Antifaschismus
AfD und der Ukraine-Krieg

Offen auf Kriegskurs

AfD-Abgeordneter will Welt neu geordnet sehen. Deutscher Imperialismus soll sich in Ukraine offensiv durchsetzen. Neonaziinfluencer bricht mit Partei
Von Susann Witt-Stahl
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Für einige geht die Bundeswehr noch nicht aggressiv genug gegen Russland vor (Magdeburg, 12.12.2023)

Russland wird zunehmend zum Zankapfel in der deutschen Rechten. Nun gibt es neue Ansätze, den »prorussischen« Kurs der AfD zu kippen. Am 24. Juni warben Rainer Kraft, Bundestagsabgeordneter der Partei, und der stellvertretende Kreisvorsitzende der AfD in Wuppertal, Tim Schramm, parallel für Ukraine-Solidarität und eine »eurozentrische Außenpolitik«. Kraft im rechten Online-Magazin Apollo News und Schramm beim rechten Boulevard-Portal Nius.

Der Bundestagsabgeordnete sprach von einem »Irrweg«, einer Politik des Zauderns auch gegenüber den Palästinensern, dem Iran und der »Allianz«, die diese angeblich mit »dem Kommunismus« unterhalten. »Völkerrechtsdebatten gehören im Angesicht dieser Feinde der Vergangenheit an«, befand Kraft. »Wenn die zivilisierten Länder die Welt nicht ordnen, tun es die anderen nach ihren steinzeitlichen und totalitären Vorstellungen.« Schramm, der »schon immer Soldat werden wollte« und mit seinen Frontabenteuern als Freiwilliger der Kiewer Armee im Krieg gegen das »Multi-Kulti-Shithole« Russland für Aufsehen sorgte, möchte die »knallharten Interessen« des deutschen Imperialismus in der Ukraine endlich wieder offensiv durchsetzen – etwa den Zugriff auf die Agrarwirtschaft und Rohstoffe. Er plädiert für eine Rückbesinnung auf die alten Stahlhelmtugenden: Eine rechte Partei könne nichts dagegen haben, »dass man ein wehrhaftes Volk hat«, wie er einen Tag später im Interview mit der Wochenzeitung Junge Freiheit betonte. Daher verlangt er ein Ende der »Hippie-Bewegung« und des »Defätismus von rechts« gegen die Bundeswehr in seiner Partei.

Weder das eine noch das andere spielt eine Rolle, das belegen allein die Forderungen der AfD-Führung nach drastischer Aufrüstung, Reaktivierung der Wehrpflicht und Verlängerung der Dienstzeit. Die Zurückhaltung im Ukraine-Krieg speiste sich in Wirklichkeit bisher vorwiegend aus der Einschätzung, dass die USA ihren Vasallen BRD opfern und der wirtschaftlich als der große Verlierer dastehen könnte. Diese Haltung könnte sich mit dem neu formulierten Führungsanspruch des imperialen Deutschlands und des von der Merz-Regierung angekündigten Ausbaus der Streitkräfte zur »konventionell stärksten Armee Europas« ändern.

Schramm behauptet, dass sich in seinem Landesverband in NRW »mehr als genug« Kräfte versammelten, »die ganz klar prowestlich und auch proukrainisch« seien. Auf X und anderen Social-Media-Kanälen philosophieren deutsche Nationalisten über »historische Verantwortung gegenüber der Ukraine« und bringen ihre Verachtung gegenüber dem »Putin feiernden ungebildeten Pack aus alten fetten Säcken« zum Ausdruck.

Der neonazistische Influencer Erik Ahrens spricht bereits von »Spaltung«. Der ehemalige Berater des Bundestagsabgeordneten Maximilian Krah und Kopf hinter erfolgreichen Tik-Tok-Kampagnen für die AfD hat sich mit der Partei überworfen. Er verortet die »Russenstusser« und »Volksverräter« der »Schrottpartei« bereits auf dem Müllhaufen der Geschichte. Unter Berufung auf den NSDAP-Propagandaminister Joseph Goebbels und in Anlehnung an Nazikriegsverbrecher Alfred Rosenberg appelliert Ahrens an den »deutschen Geist«, der zur »Beseitigung des Behemot im Osten« dränge.

Seine neue Strategie lautet Entrismus: »Man geht in eine Partei, in der man am wenigsten vermutet würde« – die Grünen. Diese seien gegen Russland, jung und hätten ein hohes Bildungs- und Einkommensniveau. Seine Bewegung könne gut an deren idealistische »feministische Außenpolitik« mit »Export von Werten« anknüpfen, meint er und würdigt Anton Hofreiters Bekenntnis zur Transformation der Grünen in eine »Prokriegspartei«. Falls es gelingen würde, sie dazu zu bringen, »die Wehrmacht wieder aufzurüsten und wieder Tiger-Panzer zu bauen«, seien sie als fortschrittlicher Mainstream der optimale »Resonanzraum« für eine »nationale völkische Weltanschauung«.

Daher ruft Ahrens seine »studentische, urbane, intellektuelle« Gefolgschaft zum Eintritt und zur Gründung von »Schattennetzwerken« in der Partei auf, der Rest möge beim »NS-Straßenaktivismus« der NPD-Nachwuchsorganisation »Junge Nationalisten« etc. bleiben. »Zwischen diesen beiden Polen wird man die AfD einmal aufreiben können.«

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