Spahn lässt nicht locker
Von Kristian Stemmler
Die politische Karriere von Jens Spahn, das ist spätestens mit dem Bekanntwerden des ungeschwärzten Untersuchungsberichts zu den Maskenkäufen klar, hängt am seidenen Faden. Die CDU-Führung hält aber vorerst an dem angeschlagenen Chef der Bundestagsfraktion fest. Spahn habe »die volle Unterstützung« der Parteigremien, sagte Generalsekretär Carsten Linnemann nach Sitzungen von Vorstand und Präsidium am Montag in Berlin. An den Sitzungen nahm, wie Linnemann vermerkte, auch Parteichef und Bundeskanzler Friedrich Merz teil. Spahn selbst gibt sich ebenfalls kampflustig: Gegenüber dem Magazin Stern klagte er, sein Vorgehen in der Zeit der Coronapandemie werde nicht gerecht bewertet. Er wünsche sich, »dass mein Handeln im Kontext der damaligen Notlage bewertet wird«. Statt dessen würden nun, fünf Jahre später, Maßstäbe angelegt, »als hätte es gar keine Jahrhundertpandemie gegeben«.
Einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss, wie ihn die Opposition fordert, sehe er gelassen entgegen, behauptete der CDU-Politiker. Eine Enquetekommission sei allerdings »der bessere Weg zur Aufarbeitung und gesellschaftlichen Befriedung«. Dies ist auch der Ansatz der Union, um so nicht zuletzt auch Spahn aus der Schusslinie zu holen. Der Geschäftsführer der Unionsfraktion, Steffen Bilger, lehnte einmal mehr einen Untersuchungsausschuss ab und verwies zugleich darauf, dass die »schwarz-rote« Koalition die Einsetzung einer Enquetekommission des Bundestags zur Aufarbeitung der Pandemie plane. Ein nur mit Politikern besetzter Untersuchungsausschuss sei »ein klassisches Instrument der Opposition«, sagte Bilger der Süddeutschen Zeitung. Eine Enquetekommission dagegen könne mit Hilfe externer Experten »sachlich und überparteilich« die Pandemie aufarbeiten. Eine solche Kommission hat aber eben auch wesentlich weniger Durchgriffsrechte als ein Untersuchungsausschuss.
Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke appellieren derweil an die SPD, den Weg für einen Untersuchungsausschuss freizumachen. Für dessen Einsetzung fehle allein die Zusage der SPD, erklärte Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Irene Mihalic gegenüber dem Stern. Verweigere die Partei sich, stelle sie sich »schützend vor Jens Spahn und gegen das Minderheitenrecht des Parlaments«.
Mihalic sagte, die Erkenntnisse aus dem ungeschwärzten Bericht legten ein Geflecht aus Lobbyprovisionen und ministeriellen Fehlentscheidungen offen. Heidi Reichinnek, Linke-Fraktionschefin, sagte dem Magazin, der Umgang der Union mit dem Fall beschädige deren Glaubwürdigkeit. Nachdem die »fragwürdigen Deals« mutmaßlich einen Milliardenschaden angerichtet hätten, müsse es selbstverständlich sein, »die Verantwortung dafür zu übernehmen und die Einsetzung des Untersuchungsausschusses zu unterstützen«.
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat unterdessen die Schwärzungen im Bericht von Sonderermittlerin Margaretha Sudhof (SPD) zur Maskenaffäre verteidigt. »Wir haben das nicht getan, um Jens Spahn zu schützen«, behauptete Warken am Montag im ZDF. Warken begründete die Schwärzungen erneut mit der Wahrung von Persönlichkeitsrechten, den Rechten Dritter und laufenden Prozessen.
Nach Berechnungen der Opposition hat die »Überbeschaffung« von Masken in der Coronakrise dem Staat einen Milliardenschaden verursacht. Aber auch die Folgekosten sind immens, wie der Bundesrechnungshof in einem Bericht an den Haushaltsausschuss festgestellt hat. Demnach sind 2024 für Folgekosten wie die Lagerung und Vernichtung überschüssiger Masken 57 Millionen Euro aufgelaufen, die Gesamtsumme seit 2020 liegt bei 517 Millionen Euro. Im laufenden Jahr rechnen die Kontrolleure mit 45 Millionen Euro an Folgekosten, für 2026 und 2027 noch einmal mit 67,3 Millionen Euro. Laut Bundesrechnungshof gab der Staat 5,9 Milliarden Euro für 5,8 Milliarden Masken bis 2024 aus.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
-
Leserbrief von Peter Groß (8. Juli 2025 um 17:18 Uhr)Es fehlt eine Aufstellung aller, die durch die Vermittlung von Maskenkäufen zu Millionären, bzw. Multimillionären wurden. Die sich an Provisionen als politische Gestalter dumm und dämlich verdient haben, auch im zweistelligen Millionenbereich. Sie wurden, so meine Vermutung, in den Adelsstand der »Diebe im Gesetz« erhoben, denen rechtliche Lücken zu Multivermögen verhielfen. Nur die Obergier, wenn sie versuchten, die Provisionen gegenüber dem Finanzamt als Einkünfte zu verschweigen, führte in der Regel zu viel zu milden Strafen. In welchem Umfang sollte die Regierung und Spahn endlich auch beantworten.
- Antworten
Ähnliche:
- Christoph Hardt/Panama Pictures/imago04.07.2025
Entlastung für Konzerne
- Hauke-Christian Dittrich/dpa01.07.2025
Koalition rudert zurück
- IMAGO/Bernd Elmenthaler27.06.2025
Linke will Geheimklub beitreten
Mehr aus: Inland
-
Chemieriese schließt Anlagen
vom 08.07.2025 -
»Uns Urheber lässt man im Regen stehen«
vom 08.07.2025 -
Poker um Richtersessel
vom 08.07.2025 -
Loch in Pflegekasse
vom 08.07.2025 -
Waffen statt Wagen
vom 08.07.2025 -
»Wir erleben derzeit eine autoritäre Wende«
vom 08.07.2025