Poker um Richtersessel
Von Max Ongsiek
Drei Richterstellen sind am Bundesverfassungsgericht neu zu besetzen. Eine Empfehlung zur Nachbesetzung soll der Wahlausschuss des Bundestags am Montag abend aussprechen. Bevor der Bundestag über die Empfehlungen abstimmt und sie womöglich mit der nötigen Zweidrittelmehrheit billigt, gibt es ein Tauziehen um das Zustandekommen dieser Mehrheit.
Für einen Sitz hat die Union das Vorschlagsrecht. Aufstellen will sie Günter Spinner. Der ist nicht nur Richter am Bundesarbeitsgericht, sondern angeblich auch der Wunschkandidat der derzeit amtierenden Bundesverfassungsrichter. Zwei Kandidaten kann die SPD vorschlagen. Die Sozialdemokraten präferieren dafür die Professorinnen für Staatsrecht Ann-Katrin Kaufhold und Frauke Brosius-Gersdorf. Letztere, eine »progressive« Liberale, gilt einigen in der Union allerdings als »zu links«. Am Montag freilich kündigte nach allerlei Querschüssen CSU-Landesgruppenchef Alexander Hoffmann in der Augsburger Allgemeinen an, Brosius-Gersdorf zu unterstützen: »Die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag sind so, dass wir unseren Wunschkandidaten nur im Paket mit weiteren Personalentscheidungen durchsetzen können.«
Die 16 Richter des Bundesverfassungsgerichts werden jeweils zur Hälfte von Bundestag und Bundesrat gewählt. Der Wahlausschuss wiederum setzt sich aus zwölf Abgeordneten der im Bundestag vertretenen Fraktionen zusammen, die nach den Regeln der Verhältniswahl in den Wahlausschuss gewählt werden. In der 21. Wahlperiode stellt die Union fünf, die AfD drei, die SPD zwei, die Grünen und die Linken jeweils einen Abgeordneten. Sollte im Bundestag keine Zweidrittelmehrheit zustande kommen, ist neuerdings auch eine Bundesratsentscheidung möglich.
Die Linkspartei beharrt derweil weiter auf Gesprächen mit der Union. »Ohne Gespräch keine Wahl, das ist ganz einfach«, sagte der Linke-Kovorsitzende Jan van Aken am Montag in Berlin. »Da es null Gespräche gibt, sehe ich nicht, dass wir heute abend den von der CDU vorgeschlagenen Mann wählen«, so van Aken. Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion, Johannes Fechner, hält derweil ein Vorschlagsrecht der Linken bei der Wahl von Verfassungsrichtern für angemessen. Ohne die AfD gebe es die nötigen Zweidrittelmehrheiten nur noch mit der Linkspartei. »Deshalb schließe ich ausdrücklich nicht aus, dass irgendwann auch ein Vorschlag der Linken zum Zuge kommt«, sagte Fechner am Montag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die AfD-Fraktionsspitze kündigte unterdessen an, den Kandidaten der Union zu wählen: »Das werden wir auch als Vorstand der Fraktion vorschlagen«, sagte die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel am Montag in Berlin.
Die Wahl im Plenum steht aktuell für Freitag auf der Tagesordnung. Allerdings wird voraussichtlich nicht »im Paket«, sondern zunächst über einen Richter – vermutlich den von der Union nominierten Kandidaten Spinner – abgestimmt werden. Die Wahl der anderen beiden Richterinnen steht vorläufig auf der Tagesordnung der letzten Sitzung des Bundestags vor der Sommerpause.
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