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Aus: Ausgabe vom 01.07.2025, Seite 4 / Inland
Stromsteuersenkung

Koalition rudert zurück

Strompreissenkung nur für Kapital sorgt für Empörung. Union und SPD wollen sie noch mal verhandeln, betonen vorab die Kosten
Von Kristian Stemmler
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Akku voll, Geldbörse leer: Billigstrom gibt es vorerst nur für das BRD-Kapital

Angesichts der breiten Empörung über den »Wortbruch« der Regierungskoalition beim Thema Stromsteuer soll es offenbar Nachbesserungen geben. »Wir arbeiten in der Koalition hart an Lösungen, um die versprochene Stromsteuersenkung für alle zeitiger als bisher geplant umzusetzen«, sagte Unions-Vizefraktionschef Sepp Müller (CDU) am Montag dem Portal T-online. Vergangene Woche war Kritik laut geworden, nachdem die Bundesregierung verkündet hatte, die Stromsteuer zunächst nur für Industrie und Landwirtschaft zu senken. Länder, Verbände und Opposition pochen nun darauf, dass im Koalitionsvertrag eine Stromsteuersenkung auf das europäische Mindestmaß »für alle« vereinbart worden war.

Bereits am Sonntag abend hatte sich Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) offen für Gespräche über die Senkung der Steuer auch für private Verbraucher gezeigt. Nötig wäre eine »Umschichtung« im Bundeshaushalt, sagte Frei in der ARD. Wenn es dafür »geeignete Möglichkeiten« gebe, die in der Koalition »insgesamt konsensfähig« seien, könne darüber verhandelt werden. Am Montag haben die Fraktionsvorsitzenden von CDU und CSU aus Bund und Ländern mit einem Papier nachgelegt, das laut AFP fordere, sich an der Vereinbarung des Koalitionsvertrags zu orientieren, »sobald die finanziellen Spielräume hierfür bestehen«.

Die Bundesregierung plant bislang nur, die bereits bestehende Stromsteuersenkung für das produzierende Gewerbe sowie Land- und Forstwirtschaft fortzuschreiben. Diese Entscheidung war mit der Kabinettsbeschlussfassung des Haushaltsentwurfs für 2025 bekanntgeworden, ohne dass die Regierung anfangs darauf hingewiesen hatte. CDU-Politiker wie Generalsekretär Carsten Linnemann und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst machten Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) verantwortlich.

Über diese Kritik zeigte sich die neue SPD-Kovorsitzende und Arbeitsministerin Bärbel Bas am Montag irritiert. Dass die Senkung zunächst nur für Industrie und Landwirtschaft gelten solle und nicht für alle Privathaushalte, sei gemeinsam in der Koalition beschlossen worden, erklärte Bas gegenüber dem Deutschlandfunk. »Wir wollen erst die Wirtschaft entlasten, wir wollen Arbeitsplätze sichern«, hätte man gemeinsam erörtert und sich als Koalition darauf geeinigt, dass die Entlastungen für alle erst später umgesetzt werden sollen. Bas kündigte an, dass das Thema Stromsteuersenkung beim Koalitionsausschuss am kommenden Mittwoch mit der Union besprochen werde.

Vorerst versucht das Finanzministerium zu beschwichtigen. Eine Sprecherin betonte am Montag gegenüber AFP, dass die Schwelle zur Begünstigung bei der Stromsteuer »wirklich sehr gering« sei, weshalb »sämtliche kleinen und mittleren Unternehmen« begünstigt würden. Eine Senkung der Stromsteuer für alle im kommenden Jahr würde rund 5,4 Milliarden Euro zusätzlich kosten, erklärte ein anderer Sprecher gleichentags gegenüber dpa. Allein die erste der von der Bundesregierung vereinbarten Maßnahmen zur Senkung der Energiepreise würde, wenn sie käme, alle Verbraucher bis zu drei Cent pro Kilowattstunde günstiger kommen.

CSU-Chef Markus Söder sieht Kürzungsspielraum wie so oft vor allem bei den Ärmsten. Es könne nicht sein, »dass wir beim Bürgergeld Rekordausgaben haben und deswegen andere wichtige Anliegen wie Entlastungen bei der Stromsteuer aufschieben müssen«, erklärte Söder am Montag gegenüber dpa. Darüber müsse der Koalitionsausschuss sprechen. Weiter wetterte der bayerische Ministerpräsident: »Wir haben immer noch zu hohe Kosten beim Bürgergeld und anderen vergleichbaren Ausgaben.«

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