Gegründet 1947 Mittwoch, 16. Juli 2025, Nr. 162
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 08.07.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Gazakrieg

»Axel Springer verdient mit«

Über die Geschäfte einer Konzerntochter bei der Immobilienvermittlung in von Israel besetzten Gebieten. Ein Gespräch mit Hanno Hauenstein
Von Jakob Reimann
imago811710173.jpg

Im Frühjahr 2024 deckten Sie Geschäftstätigkeiten des israelischen Springer-Tochterunternehmens Yad 2 in den völkerrechtswidrig besetzten palästinensischen Gebieten im Westjordanland auf. Was waren die Ergebnisse Ihrer Recherchen?

Das zentrale Ergebnis war, dass Axel Springer über die Kleinanzeigenplattform Yad 2, die der Konzern 2014 erworben hatte, aktiv an Hausverkäufen und -vermietungen in völkerrechtswidrig besetzten Gebieten mitwirkt und mitverdient. Auf Yad 2 werden Tausende Wohnungen und Häuser im Westjordanland, Ostjerusalem und auf den Golanhöhen angeboten. Besonders absurd: Einige der auf Yad 2 gelisteten Immobilien befinden sich in Outposts – kleine Siedlungen, die selbst nach israelischem Recht illegal sind. Auch Siedlungsneubauten werden da beworben. Mehr als 1.000 solcher Inserate stammen von Maklerbüros, die für diese Art Werbung bezahlen – sprich, Yad 2, und damit Springer, generiert daraus Einnahmen und trägt so zur wirtschaftlichen Verstetigung des Siedlungsprojekts bei.

Wie reagierte Springer damals? Hat sich der Medienriese von Yad 2 distanziert?

»Diskriminierung hat bei Axel Springer keinen Platz«, sagte mir eine Sprecherin des Unternehmens im Frühjahr 2024. Dies sei so auch eindeutig in Springers Kodex geregelt. Die Axel Springer SE bezieht demnach in ihren Essentials klar Stellung gegen Rassismus. Meine spezifischeren Fragen zu Werbung und Vermittlung von Hausverkäufen in Siedlungen via Yad 2 beantwortete Springer damals nicht.

Welche weiteren Entwicklungen gab es seit Ihren Enthüllungen in diesem Fall?

Seit Ende April 2024 wird Axel Springers Kleinanzeigengeschäft, zu dem Yad 2 gehört, nicht mehr von Springer kontrolliert, sondern von der US-Investmentfirma KKR und dem kanadischen Pensionsfonds CPP. Die deutschen Eigentümer Mathias Döpfner und Friede Springer halten weiterhin eine Minderheitsbeteiligung von rund zehn Prozent. Außerdem haben seit der Veröffentlichung meiner Recherchen fünf Palästinenser aus Dörfern im Westjordanland, die direkt von Landraub in Siedlungen betroffen sind, in denen über Yad 2 Immobilien angeboten werden, eine formelle Beschwerde beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht.

Wie wird in der Beschwerde argumentiert?

Sie werfen der Axel Springer SE vor, zu Landraub und Menschenrechtsverletzungen in Palästina beizutragen. Sie argumentieren, dass die Inserate in Siedlungen gegen internationales Recht verstoßen, aber auch gegen das deutsche Lieferkettengesetz. Letzteres verpflichtet deutsche Unternehmen und deren Töchter dazu, Menschenrechtsrisiken in ihren Lieferketten zu identifizieren und zu verhindern. Die Beschwerdeführer fordern vom BAFA Konsequenzen und erwarten, dass Springer für seine Rolle Verantwortung übernimmt.

Jüngst veröffentlichte die UN-Sonderberichterstatterin für die besetzten Gebiete, Francesca Albanese, ihren Bericht über die »Ökonomie des Völkermords« …

Francesca Albaneses Bericht zeigt, wie wirtschaftliche Aktivitäten in den besetzten Gebieten ein zentrales Element der israelischen Besatzung ausmachen. Der Internationale Gerichtshof hat internationale Unternehmen bereits letztes Jahr in einem Gutachten explizit dazu aufgefordert, zwischen Israel und den von Israel besetzten Gebieten zu unterscheiden. Meine Recherchen zu Yad 2 zeigen, wie Konzerne wie Axel Springer das ignorieren. Indem Yad 2 Hausverkäufe in den Siedlungen vermittelt und damit Einnahmen generiert, trägt das Unternehmen dazu bei, die Siedlungs- und Besatzungspolitik zu normalisieren. Solche Verflechtungen machen den Kern von Albaneses Argument aus: Die Besatzung, die Vertreibung und die Gewalt gegen Palästinenser sind ohne die wirtschaftliche Mitwirkung Dritter kaum aufrechtzuerhalten.

Hanno Hauenstein ist freier ­Journalist und Autor.

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Dieser Artikel gehört zu folgenden Dossiers:

Ähnliche:

  • Furchtlose Stimme gegen Völkermord und Besatzung: Francesca Alba...
    08.07.2025

    Profiteure des Völkermords

    Nahostkonflikt: UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese hat einen neuen Bericht über die »Ökonomie des Genozids« vorgelegt

Mehr aus: Schwerpunkt