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Aus: Ausgabe vom 07.07.2025, Seite 2 / Inland
Bayern

»Für neue Autobahnen sind Milliarden da«

Bayerische Regierung will nicht mehr für »Deutschlandticket« bezahlen. Ein Gespräch mit Kathrin Flach Gomez und Evelyn Schötz
Interview: Hendrik Pachinger
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Der Autopartei CSU wohl einfach egal: Fahrgäste warten auf einen U-Bahn-Zug in München (24.5.2025)

Dem »Deutschlandticket« soll der Geldhahn zugedreht werden. Was sind die Pläne der CSU-geführten Staatsregierung diesbezüglich?

Evelyn Schötz: Söder will sich ab 2026 aus möglichen Mehrkosten für das »Deutschlandticket« zurückziehen – obwohl es das erfolgreichste Mobilitätsprojekt seit Jahrzehnten ist. Dabei zeigt eine aktuelle Umfrage vom »Bündnis sozialverträgliche Mobilitätswende Bayern«: 88 Prozent der Menschen in Bayern wollen das Deutschlandticket behalten. Die CSU ignoriert diesen Wunsch, obwohl das Ticket Mobilitätskosten senkt, Teilhabe sichert und einen Beitrag zum Klimaschutz leistet. Söder sagt: »Mehr Geld für Schienen, Brücken, Wohnungen«. Tatsächlich meint er: Noch mehr Geld für Straßenbau.

Erklärter Wille der Landesregierung ist es, keinen Cent mehr für das Deutschlandticket zahlen zu müssen. Ist der bayrische ÖPNV-Haushalt so knapp bemessen, die Finanzierung untragbar?

E. S.: Nein. Der Freistaat gibt aktuell rund 400 Millionen Euro für das Ticket aus – das ist leistbar. Aber die CSU hat andere Prioritäten: Für neue Autobahnen sind Milliarden da – für bezahlbare Mobilität angeblich nicht. Dabei zeigt die Umfrage auch: Ohne das Ticket würden über zwei Drittel der Menschen in Bayern höhere Mobilitätskosten haben, ein Viertel müsste Fahrten einschränken.

Sie werfen dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder und Verkehrsminister Christian Bernreiter vor, »mit ihrem Gezerre das erfolgreichste Projekt der letzten Jahre zu gefährden«. Was sind die Streitpunkte?

Kathrin Flach Gomez: Der Bund und die Länder finanzieren das Ticket bisher gemeinsam. Doch statt konstruktiver Verhandlungen blockiert die CSU. Sie will sich aus der Verantwortung ziehen, obwohl das Ticket gerade für Menschen mit geringem Einkommen unverzichtbar ist. Statt Solidarität erleben wir parteipolitisches Schattenboxen auf dem Rücken der Fahrgäste. Das ist verantwortungslos.

Alleine von 2015 bis 2024 ist das Budget für Erhalt und Neubau von Staatsstraßen um etwa 112 Prozent erhöht worden. Gleichzeitig sei kein Geld für den Ausbau des ÖPNV vorhanden, während viele kommunale Verkehrsbetriebe defizitär wirtschaften oder ihre Gewinne zur Sanierung städtischer Haushalte verwendet werden. Woher rühren die falsch gesetzten Prioritäten der Landesregierung?

K. F. G.: Die CSU denkt Verkehr immer noch autozentriert. Dabei brauchen die Menschen bezahlbare, zuverlässige Mobilität und bessere Luft in den Städten – keine weiteren Asphaltwüsten und Feinstaubwolken.

Die Kommunen ziehen nach, da sie durch die Förderpolitik des Landes falsche Anreize bekommen. In Nürnberg zeigt sich das konkret am sogenannten Frankenschnellweg: Milliarden für eine Stadtautobahn mit immensen Kostensteigerungen, aber kein Geld für Bus und Bahn. In Nürnberg kämpfen wir mit einem Bürgerbegehren für bezahlbaren Nahverkehr. Unser Ziel ist Mobilität für alle – statt CSU-Prestigeprojekte für wenige.

Während viele Bundesländer klagen, dass ihr Kostenanteil zu hoch sei, mauert der Bund und will die Ausgaben nicht alleine tragen. Wie will die Linkspartei diesen Stillstand aufbrechen?

E. S.: Die Linke fordert: Das Ticket muss dauerhaft gesichert, sozial gestaffelt und langfristig kostenfrei werden. Der Bund muss die Finanzierung über ein Sondervermögen für Mobilität und Klimaschutz garantieren – analog zur Grundgesetzänderung. Und auch Bayern muss liefern: mit einem Tariftreuegesetz, besserer Anbindung des ländlichen Raums, fairen Löhnen im ÖPNV und konsequentem Ausbau statt Rückzug. In Zeiten der Klimakrise ist das nicht nur eine Frage der Ökologie, sondern der sozialen Gerechtigkeit.

K. F. G: In Nürnberg ist mit unserem neuen Bürgerbegehren das Ziel klar: 20 Prozent Zuschuss für alle Bürger und Bürgerinnen, 70 Prozent für Menschen mit »Nürnberg-Pass« (lokale Vergünstigungskarte, jW), Azubis, Schüler und Studierende. So schaffen wir soziale Gerechtigkeit und stärken den Umweltverbund. Die CSU darf diese Initiative nicht bremsen, sondern sollte unterstützen. Denn klar ist: Ohne verlässlichen ÖPNV gibt es keine klimafreundliche Zukunft, und ohne Personal fährt kein Bus. Wer die Verkehrswende will, muss jetzt investieren, egal ob in den Kommunen, im Land oder im Bund.

Kathrin Flach Gomez ist Nürnberger Stadträtin, und Evelyn Schötz ist Bundestagsabgeordnete (beide Linkspartei)

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