Demaskierung dementiert
Von Kristian Stemmler
Für Jens Spahn wird die Luft immer dünner. In der Maskenaffäre des Exgesundheitsministers fordern die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke im Bundestag einen Untersuchungsausschuss. Am Freitag hatten mehrere Medien aus einer ungeschwärzten Version des Berichts der Sonderermittlerin Margaretha Sudhoff zu Maskenbeschaffungen des CDU-Politikers zitiert, die den heutigen Unionsfraktionschef erheblich belastet. Passagen aus dem 170 Seiten umfassenden Papier zeigen laut Süddeutscher Zeitung (SZ), wie Spahn in der Coronapandemie persönlich in Entscheidungen über die Beschaffung von überteuerten Schutzmasken eingebunden gewesen und wie er vor Risiken gewarnt worden sei.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen erklärte, die Enthüllungen belegten »schwarz auf weiß«, dass Spahn gelogen habe und dies »wiederholt, systematisch und mit dem Ziel, sich selbst und Netzwerke in seinem Umfeld zu schützen«. In der Pandemie seien in »beispiellosem Ausmaß« vom Bund Milliarden verschleudert worden – und dies für Masken, »die in der überwältigenden Mehrheit nie geliefert wurden oder von so miserabler Qualität waren, dass sie später vernichtet werden mussten«.
Die amtierende Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) habe Dahmen zufolge an mehreren Stellen gezielt Schwärzungen vorgenommen, um die Verantwortlichkeit Spahns und anderer Unionspolitiker zu verschleiern, »die in der Pandemie Staat und Steuerzahler zur Beute gemacht haben«. Auch Aurel Eschmann von der Organisation Lobbycontrol erklärte laut SZ, es seien »auch ganz gezielt« Stellen geschwärzt worden, die zeigen würden », dass Jens Spahn direkt beteiligt« sowie »informiert war«.
Ates Gürpinar, Sprecher für Gesundheitsökonomie der Linke-Fraktion, verdächtigte die Union, alle Möglichkeiten zu nutzen, um Spahns Verstrickungen zu decken. Ein Untersuchungsausschuss sei dringend nötig, um die »mehr als fragwürdigen Einmischungen von Spahn« aufzuklären. Gürpinars und Dahmens Fraktionen haben im Bundestag nicht genügend Sitze, um einen solchen Ausschuss einzusetzen. Sie appellieren an Union sowie SPD, den Weg dafür freizumachen.
Spahn bezeichnete den Vorwurf, er habe gelogen, als »bösartige Unterstellung«. »Solches Geraune« kenne er bisher nur von der AfD. Zum Vorwurf, er habe Firmen bevorzugt behandelt, sagte der Unionspolitiker, er habe keine Verhandlungen geführt. Das hätten die Fachabteilung im Ministerium und Anwaltskanzleien getan. Über ihn seien lediglich Kontakte hergestellt worden. In einem am Sonnabend online veröffentlichten Bild-Interview wies der CDU-Fraktionsvorsitzende die Kritik daran zurück, dass er damals die Logistikfirma Fiege aus seinem Nachbarwahlkreis mit Lieferung und Lagerung von Masken beauftragt hatte. Das Unternehmen Fiege sei »einer der größten Gesundheitslogistiker Deutschlands« und keine »Pommesbude mit zwei Lkws im Nachbardorf«.
Kritik an Spahn gibt es auch wegen eines verlustreichen Maskendeals mit der Schweizer Firma Emix. Wie der Spiegel am Freitag berichtete, fehlen unter anderem bei einem von Spahn im April 2020 persönlich freigegebenen Auftrag an die Firma Hinweise auf die übliche Bedarfsprüfung. Demnach hatte der Minister mit Vertrag vom 23./24. April 2020 insgesamt 100 Millionen Masken für 5,40 Euro bei Emix bestellt, obwohl der CDU-Politiker zuvor andere Einkäufe für 4,50 Euro pro Stück wegen eines Überangebots abgebrochen habe. Vertreten worden sei die Firma damals von Andrea Tandler, der Tochter des CSU-Politikers Gerold Tandler.
Sonderbeauftragte Sudhoff soll am kommenden Dienstag bei einem »Fachgespräch« vor dem Haushaltsausschuss Auskunft zu ihrem Bericht geben. Die ehemalige Staatssekretärin untersuchte die Umstände der Maskenbeschaffung im Auftrag von Spahns Nachfolger Karl Lauterbach (SPD). Ihr Bericht wurde vom Gesundheitsministerium unter der aktuellen Leitung von Spahns Parteifreundin Nina Warken zunächst zurückgehalten, dann auf Drängen der Opposition mit zahlreichen Schwärzungen an den Bundestag weitergeleitet. Warken begründete dies mit Persönlichkeitsrechten, Geschäftsgeheimnissen und laufenden Gerichtsverfahren.
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