Material für den Bau einer Bombe
Von Wolfgang Pomrehn
Das Münchener Umweltinstitut und die Kampagnenorganisation »Ausgestrahlt« schlagen Alarm. Nach ihren Informationen könnte demnächst ein Transport mit waffenfähigem, hochangereicherten Uran quer durch die Republik fahren. Im Münchner Forschungsreaktor FRM II ist das Abklingbecken voll und muss freigemacht werden, bevor die Anlage wieder hochgefahren werden kann. Das Brisante daran: Der als Neutronenquelle genutzte Reaktor wird mit hochangereichertem Uran betrieben, das sich relativ einfach in Atombomben einsetzen lässt.
Die abgebrannten Brennelemente sollen demnach in ein gut 700 Kilometer entferntes Zwischenlager in Ahaus an der niederländischen Grenze geschafft werden. Aber: Auch wenn die Brennstäbe nicht mehr genug Neutronen für Forschung und Medizin produzieren, ist das in ihnen enthaltene Uran immer noch zu über 87 Prozent angereichert. Mit vergleichsweise geringem Aufwand wird daraus Bombenstoff.
Die beiden Organisationen machen sich daher Sorgen, dass das Material in falsche Hände gelangen könnte, weil es auf dem Transport weniger gut gesichert sein wird. Hauke Doerk vom Umweltinstitut München: »Schon in einem der Garchinger Castorbehälter des Typs MTR-3 befindet sich mehr waffenfähiges Uran als für den Bau einer Atombombe gebraucht würde. Zwar liegt das hochangereicherte Uran in einer Brennstoffmatrix gebunden vor, doch die größte technische Barriere auf dem Weg zur Bombe ist die Anreicherung, und die ist bereits durchbrochen. Atomtransporte bieten eine unnötige Angriffsfläche und erhöhen die Gefahr eines möglichen Missbrauchs des Urans. Seit über 20 Jahren fordern wir, dass statt Transporten über viele hundert Kilometer quer durch Deutschland der gefährliche Stoff vor Ort verdünnt und damit entschärft werden muss.«
Beim radioaktiven Zerfall des Uranisotops Uran-235 werden Neutronen freigesetzt, die ihrerseits benachbarte Uranatome des gleichen Typs spalten und so eine Kettenreaktion in Gang setzen können. In natürlichen Uranvorkommen ist das entsprechende Isotop 235 jedoch zu selten. Für eine kontrollierte Kettenreaktion in einem Reaktor muss es daher etwas angereichert werden. In einer Atombombe soll die Kettenreaktion nicht kontrolliert, sondern als Explosion ablaufen, wofür das Uran deutlich höher angereichert sein muss.
Der Bau und Betrieb des FRM II wurde daher schon seit den 1980er Jahren weltweit kritisiert, weil er mit zu 93 Prozent angereichertem Uran betrieben wird und damit der Weiterverbreitung von Atomwaffen indirekten Vorschub leistet. Das verwendete Material stammt aus Russland. Die letzte Lieferung wurde kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs bezogen. Laut der ursprünglichen Betriebsgenehmigung hätte der Reaktor längst für weniger angereichertes Uran umgerüstet sein sollen. Die Frist wurde zwischenzeitlich verlängert und inzwischen ganz aufgehoben. Zum Vergleich: Im Iran gelang bisher nur eine Anreicherung bis 60 Prozent.
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