Jeden Tag ein Massaker
Von Jakob Reimann
Die israelischen Angriffe gegen die Zivilbevölkerung in Gaza gehen unvermindert weiter: Über 50 Menschen sind am Dienstag durch israelische Bomben getötet worden. Neben Wohnhäusern haben die Streitkräfte ein Zelt für Vertriebene im Gebiet Al-Mawasi in Khan Junis angegriffen und dabei zehn Menschen getötet und Dutzende verletzt. Auch wurden mindestens 22 Personen von der israelischen Armee erschossen, die an den US-Ausgabestellen für Hilfslieferungen auf Nahrung warteten. Das israelische Militär hingegen behauptete, seine Luftwaffe habe in den vergangenen 24 Stunden über 140 Angriffe in Gaza geflogen und dabei ausschließlich »Terrorziele« getroffen. Die Division 36 der Streitkräfte gab an, »Dutzende Militante getötet und Hunderte von terroristischen Infrastrukturen über und unter der Erde zerstört« zu haben. Die UNO warnte unterdessen, dass Tausende Säuglinge infolge von Israels Blockade vom Hungertod bedroht seien. Ärzte sprechen von einer »stillen Katastrophe« – bereits 66 Kinder seien an Unterernährung gestorben. Mütter seien oft zu ausgehungert zum Stillen, und israelische Behörden würden die Einfuhr von Säuglingsnahrung verbieten.
Bereits am Montag nachmittag feuerten israelische Truppen eine Rakete auf ein Strandcafé in Gaza-Stadt ab, das täglich von Journalisten und Künstlern besucht worden war, berichtete Al-Dschasira. 39 Menschen wurden demnach getötet und viele weitere verletzt. »Überall sah ich Leichenteile herumfliegen, verstümmelte und verbrannte Körper«, erklärte ein Überlebender gegenüber AFP. Die Armee behauptete, sie habe »Hamas-Terroristen« bombardiert.
Auch zu Wochenbeginn hatte das Militär 23 verzweifelte Menschen erschossen, die an den Ausgabestellen der Gaza Humanitarian Foundation (GHF) etwas zu essen ergattern wollten. Seit Inbetriebnahme dieser von US-Söldnern betriebenen »Hilfszentren« hat israelisches Militär mit Scharfschützen, Drohnen, Artillerie und Quadcoptern mehr als 600 auf Nahrung wartende Menschen getötet und Tausende verletzt. Das Medienbüro der Regierung von Gaza nannte sie in einer Erklärung »menschliche Schlachthäuser« und beschuldigte die israelischen Streitkräfte, verzweifelte Zivilisten in den Tod zu locken.
In einem gemeinsamen Aufruf haben über 170 internationale Hilfsorganisationen am Montag das »tödliche israelische Verteilungsprogramm« scharf verurteilt und dessen sofortige Einstellung gefordert. »Die Zahl der Verteilungsstellen für Hilfsgüter ist von 400 auf lediglich vier vom Militär kontrollierte Standorte gesunken«, erklärten Organisationen wie Oxfam, Amnesty International und Ärzte ohne Grenzen (MSF), und verlangten die Rückkehr zu einem UN-geführten Hilfsmechanismus. Die GHF sei darauf angelegt, »unser humanitäres System zu zerstören, das über Jahrzehnte funktioniert hat«, sagte der in Gaza lebende Menschenrechtsaktivist Amjad Shawa auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Dienstag nachmittag. »Das Schifa-Krankenhaus wird in wenigen Stunden keinen Treibstoff mehr haben«, so Shawa außerdem. »Das hat den Tod von Hunderten Menschen zur Folge.« Am Morgen meldete bereits die Dialysestation, sie müsse schließen. »Auch wir haben nur noch Treibstoff für etwa eine Woche«, sagte Aitor Zabalgogeazkoa, Nothilfekoordinator von MSF in Gaza, auf jW-Nachfrage. MSF betreibt zwei kleine Gesundheitszentren im Süden des Küstenstreifens.
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