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Aus: Ausgabe vom 01.07.2025, Seite 6 / Ausland
Rumänien

Bukarest setzt auf Kahlschlag

Rumänien: Nach Monaten der Hängepartie ist neue Regierung im Amt. Programm sieht Kürzungen vor
Von Fabio Nacci
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Premier Bolojan (M.) und Kabinettsmitglieder vor ihrer Bestätigung durch das Parlament am Montag in Bukarest

Rund sechs Monate nach den Parlamentswahlen hat Rumänien eine neue Regierung: Nach der Erteilung des Auftrags zur Regierungsbildung durch den einen Monat zuvor gewählten Präsidenten sprach auch das Parlament Regierungschef Ilie Bolojan Anfang vergangener Woche das Vertrauen aus. Die Koalitionäre, bestehend aus der Nationalliberalen Partei (PNL), den Sozialdemokraten, der liberalen Union Rettet Rumänien (USR) sowie der Partei der ungarischen Minderheit (UDMR), halten in beiden Kammern die Mehrheit.

PNL-Parteichef Bolojan war bereits im Februar nach dem Rücktritt von Klaus Johannis vorübergehend Interimspräsident geworden. Johannis – ebenfalls PNL – war zurückgetreten, um einer Amtsenthebung zuvorzukommen. Hintergrund sind die Verwicklungen seiner Partei in die Tik-Tok-Wahlkampagne für den rechten Präsidentschaftskandidaten Călin Georgescu Ende vergangenen Jahres: Obwohl eine Recherche nachwies, dass es die PNL war, die die Kampagne finanziert hatte, wurde die Wahl im Dezember 2024 mit der Begründung annulliert, dass Russland sie bezahlt habe. Auch zur Wiederholung der Präsidentschaftswahlen im Mai wurde Georgescu nicht zugelassen. Statt dessen gewann Nicușor Dan (USR) als nominell »Unabhängiger« gegen George Simion, den Kandidaten, auf den sich Rumäniens Rechte geeinigt hatte. Damit endete vorerst eine monatelange institutionelle Krise.

Die jetzige Koalitionsvereinbarung sieht einen Rotationsmechanismus vor: Bolojan kann bis 2027 Premierminister bleiben, danach soll ein Sozialdemokrat das Amt übernehmen. Präsident Dan hatte eigentlich gegen die jetzigen Regierungsparteien Wahlkampf gemacht. Er präsentierte sich als Außenseiter des etablierten Machtgefüges, obwohl er ideologisch nicht weit entfernt ist: Der ehemalige Bürgermeister der Hauptstadt Bukarest ist liberaler Zentrist.

Auf die Regierung warten schwierige Aufgaben. Nicht nur sind die Auswirkungen des Krieges in der benachbarten Ukraine zu spüren, auch die rumänische Wirtschaft befindet sich in einem desolaten Zustand. Zudem läuft seit 2020 ein EU-Verfahren wegen eines Haushaltsdefizits von derzeit 9,3 Prozent des BIP – weit über der EU-Grenze der jährlichen Neuverschuldung von drei Prozent. Die neue Regierung will darauf vor allem mit Kürzungen und Steuererhöhungen reagieren. Vorgesehen sind Abgaben auf Gewinne im Bankensystem, die Abschaffung bestimmter Steuer- und Sozialversicherungsbefreiungen sowie eine Reduzierung der Stellen im öffentlichen Dienst um 20 Prozent. Zudem will die Regierung Krankenkassenbeiträge für Rentner einführen. Im Gespräch ist außerdem die Erhöhung der Mehrwertsteuer. In der Außenpolitik hingegen ist Kontinuität zu erwarten. Sowohl das Verteidigungs- als auch das Außenpolitikressort werden von Ministern der transatlantischen USR geführt.

Kritik gegen das neue Regierungsprogramm gibt es bereits – etwa an der Ernennung von fünf Vizepremierministern, darunter Dragoș Anastasiu. Er ist wegen seiner wirtschaftspolitischen Ansichten als »rumänischer Elon Musk« bekannt, der schon »Peitscheneinsatz« gefordert hat, um »Reformen« durchzusetzen. Denn dass diese »unpopulär« sein werden, räumte auch Premier Bolojan in einer Rede vor dem Parlament ein. »Rumänien muss zwischen Reform oder Stagnation, Verantwortung oder Populismus wählen«, behauptete er.

Die ersten Opfer des Programms werden die wirtschaftlich benachteiligten Regionen des Landes sein – insbesondere neun Kreise, in denen der nationalistische Kandidat Simion mehr als 55 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Sieben dieser neun Kreise gehörten in den vergangenen elf Jahren zu den Regionen, die die wenigsten EU-Fördermittel erhalten haben. Dabei hatte selbst Nicușor Dan in einem CNN-Interview erklärt, dass der Aufstieg rechter Parteien in Rumänien eher soziale als ideologische Ursachen habe. Vor diesem Hintergrund wirft die Entscheidung für harte Kürzungen Fragen auf, denn soziale Spannungen könnten mit der angekündigten Politik steigen – und letztlich den Rechten in die Hände spielen.

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