Wie Pilze aus dem Boden
Von Henning von Stoltzenberg
Sie treten im schwarzen Dress auf, inszenieren sich als harte Jungs. Tatsächlich soll es bei der Vereinigung »Brothers of Honour – Chapter Süddeutschland« weniger um eine Bikertruppe, als um die Neonazigruppe »Blood and Honour« handeln. Am Mittwoch durchsuchten Polizeibeamte wegen des Verdachts der illegalen Fortsetzung der verbotenen Organisation zahlreiche Objekte in Baden-Württemberg – insgesamt 18 Wohnungen und Arbeitsstätten. Die Razzien fanden in den Landkreisen Karlsruhe, Sigmaringen, Waldshut sowie im Ortenau- und im Schwarzwald-Baar-Kreis statt, wie die Generalstaatsanwaltschaft und das Landeskriminalamt (LKA) gemeinsam in Stuttgart mitteilten.
Die Mitglieder der »Brothers of Honour«, zwischen 35 und 53 Jahre alt, sollen sich somit gegen das Vereinigungsverbot strafbar gemacht haben, denn die faschistische Gruppe »Blood and Honour Division Deutschland« wurde schon im Jahr 2000 in der BRD verboten. Unter anderem sollen die Mitglieder Neonazikonzerte im Schwarzwald-Baar-Kreis und im Ortenaukreis veranstaltet haben. Laut Staatsanwaltschaft und LKA handelt es sich bei der Organisation »Blood and Honour«, die nach dem Motto »Blut und Ehre« der Hitlerjugend benannt ist, um ein internationales Netzwerk militanter Neonazis. Ziele seien die weltweite Koordinierung von Rechtsrock und Propaganda sowie die internationale Vernetzung der Szene. Die »Division Deutschland« war mit mehr als 200 Mitgliedern eine der größten in Europa. Gegründet wurde »Blood and Honour« im Jahr 1987 in Großbritannien von Ian Stuart Donaldson, dem 1993 verstorbenen Sänger der Rechts-Rock-Band »Skrewdriver«.
Der leichte Zugang zu Neonazimusik im Internet ist ein wichtiges Element der Radikalisierung von Jugendlichen. Und Neonazigruppen sprießen wie Pilze aus dem Boden. So sind laut BKA-Angaben binnen eines Jahres in der BRD mehrere braune Jugendgruppen mit insgesamt mehreren hundert Anhängern entstanden, die teils auch vor schweren Gewalttaten nicht zurückschrecken. »Die Polizeibehörden aus Bund und Ländern beobachten seit etwa Mitte vergangenen Jahres, dass in der rechten Szene neue Jugendgruppen in Erscheinung getreten sind, die sich zunächst im virtuellen Raum gegründet haben«, teilte ein Sprecher der Behörde am Mittwoch auf Anfrage von dpa mit. Diese fielen inzwischen vermehrt durch Veranstaltungen, Straftaten und Störaktionen auf.
Die mitgliederstärkste dieser Gruppierungen ist, zumindest nach Polizeiangaben, »Jung und Stark« mit einer Anhängerzahl im mittleren dreistelligen Bereich. Schätzungsweise über hundert Jugendliche fühlen sich der Gruppe »Deutsche Jugend Voran« zugehörig. Als zahlenmäßig relevant wird auch die Vereinigung »Der Störtrupp« eingeschätzt. Die Jungnazis der Gruppe »Letzte Verteidigungswelle« hatten kürzlich für Schlagzeilen gesorgt, als acht ihrer mutmaßlichen Mitglieder festgenommen wurden und seitdem in Untersuchungshaft sitzen. Laut BKA sind die Jugendgruppierungen bundesweit vernetzt und verfügen über verschiedene regionale Ableger.
Gegen die »Letzte Verteidigungswelle« waren die Behörden im Mai mit einer bundesweiten Razzia tätig geworden. Die Bundesanwaltschaft ließ fünf Jugendliche zwischen 14 und 18 Jahren in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg und Hessen festnehmen. Mit Anschlägen auf Asylunterkünfte und linke Einrichtungen habe die Gruppe das demokratische System der Bundesrepublik zum Zusammenbruch bringen wollen, so die Bundesanwaltschaft. Zu den Hauptaktivitäten der Neonazis gehören Aufmärsche gegen Christopher-Street-Day-Veranstaltungen und die Störung antifaschistischer Demonstrationen. Zur Mitgliederrekrutierung werden vor allem Plattformen wie Tik Tok und Instagram genutzt. Mitglieder dieser Gruppen seien bislang mit Propagandadelikten und Gewalttaten aufgefallen.
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