An den Ursachen der Wohnungsnot vorbei
Von Gudrun Giese
Bezahlbare Mietwohnungen werden immer knapper. Obwohl zu einem guten Teil Zweckentfremdung, Umwandlung in Eigentum und überteuerte Vermietung möblierter Räumlichkeiten zu den Engpässen geführt haben, setzen die Wohnungsunternehmen auf Neubau. Der komme allerdings nicht voran, beklagte der Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW), Axel Gedaschko, bei der Jahrespressekonferenz am Montag.
Dem GdW gehört mit insgesamt rund 3.000 genossenschaftlichen, kirchlichen, kommunalen und anderen Wohnungsunternehmen nach eigener Lesart die eher »sozial orientierte Wohnungswirtschaft« an. Doch auch dieser Verband ruft in der Krise nach staatlicher Intervention, denn die Wohnungsunternehmen kämen angesichts schlechter Rahmenbedingungen für Neubau und Sanierung sowie eines mangelhaften Finanzierungsumfeldes immer stärker unter Druck. Nötig sei eine politische und regulatorische Kehrtwende im Umgang mit dem Wohnungsbau, forderte GdW-Präsident Gedaschko. »Bezahlbarer Wohnraum muss endlich denselben Stellenwert wie die Energiewende erhalten – wir brauchen eine Fast Lane für den Wohnungsbau«, sagte er.
Die im GdW organisierten Wohnungsunternehmen hätten 2024 zwar mit rund 19,7 Milliarden Euro 1,7 Prozent mehr als im Vorjahr investiert, doch sei vor allem mehr Geld in den Bestand geflossen, während die Neubauinvestitionen zum dritten Mal in Folge gesunken seien. Für dieses Jahr erwartet der Verband einen weiteren Rückgang auf 6,4 Milliarden Euro. »Selbst bei genehmigten Projekten haben viele Unternehmen den Rückzug angetreten – weil die Kosten nicht mehr darstellbar sind«, so Gedaschko. Ursächlich seien dafür sehr hohe Baupreise und Zinsen, Auflagen und unzureichende Förderungen. Vor diesem Hintergrund möchte der Verbandspräsident die EU-Notfallverordnung zur Energiewende auf den Wohnungsbau übertragen. »Wir brauchen jetzt eine rechtliche Grundlage, um Bauverfahren für bezahlbaren Wohnraum drastisch zu beschleunigen«, was schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren, weniger Einwendungsmöglichkeiten sowie eine befristete Sonderregelung zur Priorisierung von Wohnraum in angespannten Märkten bedeute.
Klar wurde, woran die deutsche Wohnungspolitik wirklich krankt: an enormen Fehlsteuerungen. Denn obwohl 2024 mit rund 27.000 neugebauten Sozialwohnungen ein Plus von 17 Prozent erreicht wurde, ging der Gesamtbestand der verhältnismäßig günstigen Wohnungen viel stärker zurück, weil viele aus der Sozialbindung fielen. Bei den GdW-Unternehmen lag der Bestand an Sozialwohnungen 2024 um etwa 1,2 Millionen unter dem von 2002. Doch statt sich für eine dauerhafte Sozialbindung der geförderten Wohnungen einzusetzen, fordert der Verband die »Wiederauflage der Förderung für Effizienzhäuser 55«, so dass kurzfristig 17.000 Wohnungen realisiert werden könnten. Dafür sollte der Staat Zuschüsse und Zinsverbilligungen einsetzen, sagte Gedaschko.
Während der Deutsche Mieterbund (DMB) am Montag ausdrücklich die Verlängerung der Regelung zur Mietpreisbremse um vier Jahre durch die Bundesregierung begrüßte, sorgte sich der GdW um deren Ausweitung auf Neubauten bis Baujahr 2019. »Wer jetzt zusätzlich Regulierung für Wohnungen plant, die gerade noch wirtschaftlich darstellbar sind, treibt die Branche vollends in die Knie«, so Präsident Gedaschke. DMB-Direktorin Melanie Weber-Moritz bewertet dagegen den Gesetzentwurf von CDU/CSU- sowie SPD-Fraktionen zur Mietpreisbremse als »unzureichend und verbesserungsbedürftig«. Die bloße Verlängerung der aktuellen Regelungen bis zum 31. Dezember 2029 reiche nicht aus, um den Anstieg der Mieten flächendeckend zu begrenzen. So müsse das veraltete Neubaudatum von 2014 aktualisiert werden. Auch später errichtete Wohnungsgebäude sollten in die Mietpreisbremse einbezogen werden.
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