Zollkeule gegen Temu und Co.
Von Klaus Fischer
Was Donald Trump kann, kann auch Bundesfinanzminister Lars Klingbeil. Der SPD-Politiker will sich bei der EU dafür einsetzen, dass Brüssel künftig günstige Anbieter von Konsumgütern aus Drittländern mit Zöllen belegt. »Wir müssen faire Wettbewerbsbedingungen sicherstellen und damit auch Arbeitsplätze schützen. Wer ordentliche Löhne bezahlt und die Regeln einhält, darf am Ende nicht der Dumme sein«, sagte Klingbeil am Rande eines Treffens mit seinen EU-Amtskollegen am Freitag in Luxemburg, wie dpa berichtete. Die Kassenwarte der EU-Staaten wollten unter anderem über eine Reform der Zollunion beraten.
Wenn die EU eine »Reform« in Angriff nimmt, drohen in der Regel zweierlei Konsequenzen: Für die meisten Bewohner wird es teuer. Und die Bürokratie bekommt neuen Schwung. Dabei zählt die überbordende »Regulierung« der Wirtschaft zu den wichtigsten Ursachen, weshalb in den EU-Staaten die Konkurrenzfähigkeit der hier agierenden Unternehmen stetig abnimmt. Es ist zwar das Recht der Mitgliedstaaten, ökonomische Gesetze zu ignorieren, wenn politische Dringlichkeiten das gebieten. »Primat der Politik« nennt sich das, und ist eine Art Generalpardon für jegliche Aktivität der Regierenden und Gesetzgebenden.
So offenbar auch in diesem Falle. Um neue Zölle zu erfinden, braucht es eine Art Begründung. Diese lieferte Klingbeil großzügig mit: Die Bundesregierung wolle bei den Beratungen sehr deutlich machen, dass über »Ramsch-Produkte« aus China, Dumpingpreise und Überkapazitäten gesprochen werden müsse. »Solche Handelspraktiken schaden Deutschland, sie schaden Unternehmen in Deutschland und sie schaden Unternehmen in Europa.«
Bei den vermeintlichen Billigwaren geht es zumeist um Konsumgüter, die kostengünstig und in ausreichender Qualität aus der Weltindustriemacht Nummer eins kommen – der Volksrepublik China. Und sie werden über Amazon oder Temu direkt an die Konsumenten geliefert. Die Ausrede, dass EU-Hersteller von den Importen benachteiligt werden, ist schlichte Propaganda. Denn kaum ein Mittelständler oder Kleinbetrieb in der EU stellt noch jene Waren her, die über die Onlinegiganten vertrieben werden. Allenfalls halten sich clevere Vertriebskünstler, die Waren in China oder Vietnam herstellen lassen, sie aber unter einheimischen Labels verkaufen.
Klar ist, dass sowohl Brüssel als auch die Bundesregierung dringend zusätzliche Einnahmen generieren müssen. Die Wirtschaft in den EU-Kernländern schwächelt. Deutschland und Frankreich hängen quasi in der Rezession, Italien erlebt einen Scheinaufschwung durch Milliardengeschenke aus dem EU-Corona-Fonds. Lediglich Spanien und Polen sind ökonomisch einigermaßen stabil. Dabei müssen vor allem die Kriegskosten gestemmt, die Aufrüstungspläne finanziert und das Klima gerettet werden.
Der Plan existiert seit rund zwei Jahren. Damals hatte die EU-Kommission diese Reform vorgeschlagen. Demnach sollen zahlreiche Waren unter 150 Euro zollpflichtig werden. Bislang muss in der Regel keine Importabgabe für derartige Waren gezahlt werden. Künftig sollen vor allem Onlineportale wie Amazon, Etsy und insbesondere Temu dafür verantwortlich gemacht werden, dass die Zölle und die Mehrwertsteuer beim Kauf gezahlt werden.
Das Resultat dieser Reform dürfte sein, dass die Waren teurer werden – vielleicht sogar die Lieferung eingestellt wird. Für die Amazon- und Temu-Kunden, die nicht unbedingt zu den »Besserverdienern« zählen, ist es sicher kein Trost, dass dafür ein paar Panzer und Drohnen in die Ukraine geschickt werden können.
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