Ernst sein ist alles
Als Irlands Elegantester, Oscar Wilde (1854–1900), wegen »grober Unzucht« in den Knast ging, war er auch seinen Leseausweis der British Library los. Wer mit Strichjungen schläft, ist der feinen Bücher nicht würdig, anders lässt sich die Entscheidung des Kuratoriums aus dem Jahr 1895 kaum interpretieren. »Sexwork«-Debatten hin oder her: Heute sieht man das anders, weshalb die britische Institution nun symbolisch Wildes Leseausweis wiederhergestellt hat. Er soll seinem Enkel Merlin Holland am 16. Oktober, dem Geburtstag des Schriftstellers, überreicht werden. Die British Library verfügt über eine bedeutende Sammlung von Wilde-Manuskripten, darunter Entwürfe seiner wichtigsten Stücke wie »An Ideal Husband«. Deren Verfasser nützt das Ganze natürlich nichts mehr. Angesichts der fürchterlichen Haftbedingungen hatte er noch gespottet: »Wenn Ihre Majestät ihre Gefangenen so behandelt, dann verdient sie keine.« Doch Zwangsarbeit und Zuchthaus ruinierten Wildes Gesundheit, nach der Entlassung floh er ins Exil nach Frankreich und schrieb außer der »Ballade vom Zuchthaus zu Reading« nichts mehr. Auf Kosten wohlhabender Freunde im Pariser Hotel d’Alsace eingemietet, starb Wilde am 30. November 1900. Seine letzten Worte waren angeblich: »Entweder geht diese grässliche Tapete oder ich.« (jW)
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