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Aus: Ausgabe vom 13.06.2025, Seite 11 / Feuilleton
Nachruf

Poesie mit dem Hammer. Zum Tod des Künstlers Günther Uecker

Von Matthias Reichelt
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Hör mal, wer da hämmert: Guenther Uecker

Günther Ueckers Werk wurde oft allein auf die genagelten Objekte reduziert. Dabei hat er nicht wenige nagelfreie Installationen geschaffen, Kirchenfenster gestaltet und auch mit dem Zusammenspiel von Papier und Nägeln experimentiert.

Der am 13. März 1930 in Kuhlen-Wendorf in Mecklenburg geborene Künstler absolvierte nach der Schule eine Lehre als Anstreicher und Schreiner und machte dann das Abitur auf einer Kaderschule in Lübs. Sein zeichnerisches Talent fiel in der DDR auf, wurde im Bereich Agitprop eingesetzt. Ein Kunststudium, zuerst in Wismar, dann in Berlin-Weißensee, brach er nach dem 17. Juni 1953 ab und verließ die DDR in Richtung Westberlin. Dort entdeckte er die Abstraktion für sich in Gestalt des Informel. Dennoch ging er nach Düsseldorf, um an der Kunstakademie bei dem figurativen Maler, Zeichner und Druckgrafiker Otto Pankok zu studieren. Uecker war besonders von Pankoks Holzschnitt »Christus zerbricht das Gewehr« (1950) beeindruckt.

Während des Studiums entstanden Ueckers erste »Nagelbilder«. »Die Poesie wird mit dem Hammer gemacht«, zitierte Uecker gerne Wladimir Majakowski, der ihn nicht nur im Willen beeinflusste, ausdrucksstark auf die Gesellschaft einzuwirken, sondern ihn wohl buchstäblich mechanisch inspiriert haben muss. Uecker schreckte auch nicht davor zurück, seine Nägel in Mobiliar oder ein Klavier zu schlagen, um damit den guten Geschmack des Nachkriegsbürgertums zu provozieren.

Uecker begriff den Nagel durchaus als verletzendes Instrument. Doch erzeugte er damit ungemein poetische Wirkungen, etwa mit Schatten oder konzentrischen Formationen. Auch seine mit Nägeln buchstäblich geprägten Papiere wurden imposante Objekte. 1960 hatte Uecker seine erste Einzelausstellung in der Düsseldorfer Galerie Schmela. Er schloss sich Heinz Mack und Otto Piene und deren Gruppe ZERO an, die nach dem Krieg bei null anfangen wollten, um eine puristische Ästhetik mit Licht und Bewegung zu schaffen. Bereits 1964 hatte Uecker die erste Ausstellung in New York. 1968 veranstaltete er zusammen mit Gerhard Richter in der Kunsthalle Baden-Baden unter dem Titel »Museen können bewohnbare Orte sein« eine mehrtägige Aufführung des »Terrororchesters«. Eine aufsehenerregende Provokation mittels einer »lärmenden Installation aus zwanzig Maschinen, Staubsaugern, einer Wäschetrommel sowie Hammer und Sichel«. Hervorzuheben sind auch Ueckers Beteiligungen an den Documenta-Schauen drei, vier und sechs, an der Biennale in Venedig 1970 und einer Ausstellung 1988 in Moskau.

Am 10. Juni ist Günter Uecker im Alter von 95 Jahren in Düsseldorf gestorben.

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