Am Abgrund
Von Jakob Reimann
Die Welt fordert Frieden, Israel macht Krieg: Am Donnerstag sollte die UN-Generalversammlung über einen Resolutionsentwurf abstimmen, der einen sofortigen, bedingungslosen und dauerhaften Waffenstillstand im Krieg gegen die Zivilbevölkerung in Gaza forderte. Das Ergebnis wurde nach jW-Redaktionsschluss erwartet, doch wird es hier wohl keine Überraschungen geben. Die 193 Mitglieder der parlamentarischen Vertretung der Weltgemeinschaft werden den Text »voraussichtlich mit überwältigender Mehrheit annehmen«, hieß es bei Reuters im Vorfeld der Abstimmung laut Diplomaten. Und das trotz der Tatsache, dass Israels Vertreter bei der zusehends schwindenden Zahl an Freunden eifrig Klinken putzten, um für eine Enthaltung bei der Abstimmung zu lobbyieren. Die Aufforderung der Welt, das Schlachten in Gaza einzustellen, sei nämlich eine »politisch motivierte, kontraproduktive Farce«. Dass die UNO vom Generalsekretär bis zur Reinigungskraft im Grunde vollständig von Antisemitismus durchsetzt sei, gehört ohnehin zum Standardrepertoire der ultrarechten Hetzer in Jerusalem..
Gegen zwei dieser Faschisten aus dem Kabinett Netanjahu, Finanzminister Bezalel Smotrich und »Sicherheitsminister« Itamar Ben-Gvir, verkündeten mehrere westliche Partner am Dienstag Sanktionen: Wegen des Aufrufens »zu extremistischer Gewalt« gegen Palästinenser verhängten die Regierungen in Australien, Großbritannien, Kanada, Neuseeland und Norwegen Einreiseverbote gegen diese messianischen Fanatiker sowie ein Einfrieren ihrer Vermögenswerte. Die rechte Merz-Regierung schließt sich dieser Maßnahme gegen die radikalsten Vertreter des Wertepartners Israel freilich nicht an. Denn die BRD verhänge Sanktionen grundsätzlich nur im Rahmen der EU, wählte ein Sprecher des Auswärtigen Amts den rückgratlosen Weg der politischen Nichtpositionierung. Das ist natürlich Unsinn, hat Deutschland in der Vergangenheit doch bereits sehr wohl unilaterale Sanktionen verhängt, etwa im Oktober 2022 im Zuge der landesweiten Massenproteste gegen Personen aus dem Iran.
Apartheidstaaten politisch-diplomatisch zu schützen, hat in der BRD Tradition. »Pure Heuchelei. Einmal mehr haben sich die Europäer blamiert: Deutsche und Briten verhinderten harte Sanktionen gegen Südafrika«, titelte der damals noch lesbare Spiegel im September 1986. Der Deutsche kommt nun mal auch nicht aus seiner Haut, und so steht die Bundesregierung heute fest an der Seite der israelischen Architekten von Apartheid, ethnischer Säuberung und Völkermord. Nach deutschem Faschismus und Schoah strebte die neugegründete BRD mit der in den 1950er Jahren geknüpften Partnerschaft zu Israel nach Legitimität. Nun geht man Hand in Hand dem autoritären Abgrund entgegen. Zunehmende internationale Isolation ist der Preis für das fanatische Festhalten an der deutschen Staatsräson.
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Leserbrief von Ronald Prang aus Berlin (12. Juni 2025 um 20:37 Uhr)Es ist einfach unerträglich, den Staat Israel und den jüdischen Glauben gleichzusetzen. Die Kritik am Mord aus rassistischen Gründen ist Humanismus und ich finde es ist an der Zeit, auch den Staat Israel an die allgemeinen Menschenrechte zu erinnern. Das Verbrechen des Holocaust durch das faschistische Deutschland rechtfertigt nicht, dass man heute die Kritik am Krieg in Gaza sofort zum Antisemitismus erklärt. Ja, es gab palästinensischen Terror gegen Israel, der allgemein verurteilt wurde, aber auch das rechtfertigt nicht den Krieg gegen Menschen nur, weil sie im Gazastreifen leben. Ein Mensch ist ein Mensch, ganz gleich, wer seine Eltern sind, ganz gleich, an welchen Gott er glaubt. Ich lächle oft innerlich darüber, an wieviele Götter Menschen glauben, aber ein Mörder ist in jeder Religion ein Mörder.
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