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Aus: Ausgabe vom 27.05.2025, Seite 7 / Ausland
Nahostkonflikt

Netanjahus Werkzeug

Schweiz: Regierung in Bern überprüft neugegründete Hilfsorganisation für Gaza
Von Kim Nowak
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Die israelische Besatzungsmacht hat Hunger gezielt als Waffe bei der ethnischen Säuberung Gazas eingesetzt (Gaza-Stadt, 18.5.2025)

Der Krieg in Gaza dauert bereits 20 Monate – nun steht der Küstenstreifen kurz vor der Hungersnot. Seitdem Israel Ende Januar die Aktivität des Palästina-Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNRWA) verboten hat, gibt es kaum mehr Möglichkeiten, den Menschen in Gaza zu helfen. Ein UN-Bericht warnte Montag vergangener Woche davor, dass zwischen April 2025 und Mai 2026 etwa 71.000 Kinder unter fünf Jahren verhungern könnten. Am selben Tag forderten ungefähr 20 Länder einschließlich Deutschlands Israel auf, deutlich mehr Hilfsgüter nach Gaza gelangen zu lassen.

Eine im Februar gegründete Stiftung soll die Arbeit der UNRWA nun Ende dieser Woche fortführen. Die Hintergründe und Absichten sind allerdings nebulös. Die private Gaza Humanitarian Foundation (GHF) mit Sitz in den USA wurde ohne Mitwirkung der UNO ins Leben gerufen. Sie wird von verschiedenen Seiten in Frage gestellt. Ein offener Brief führender Hilfsorganisationen warf ihr vergangene Woche vor, ein Projekt »westlicher Staaten und Militärs« zu sein, das von der israelischen Regierung unter Premierminister Benjamin Netanjahu koordiniert werde. Die bisher von der UNRWA und anderen Organisationen geleistete Hilfe sei nicht »ineffizient«, sondern werde von Israel absichtlich blockiert.

Da ein Ableger der GHF in Genf beheimatet ist, steht auch die Schweiz in der Kritik. Bern habe zwar den von Berlin initiierten Appell an Israel begrüßt, wollte sich ihm jedoch nicht anschließen, da er zu vage formuliert sei, sagte Monika Schmutz Kirgöz, Leiterin der Abteilung Mittlerer Osten und Nordafrika im Außenministerium, am Freitag gegenüber dem SRF. Sie betont, dass es aus Berner Sicht am wichtigsten sei, »dass diese Hungerkatastrophe jetzt abgewendet werden kann«. Der GHF beizutreten lehne man im Moment ab, »weil die Schweiz weiterhin darauf pocht, dass die normale humanitäre Hilfe jetzt in den Gazastreifen gelangen kann«. Diese stehe ja bereit, so Schmutz Kirgöz.

Israelische Medien wie die liberale Tageszeitung Haaretz hatten der GHF früh bescheinigt, ein Instrument der israelischen Kriegführung in Gaza zu sein. Diesem Urteil schloss sich jüngst auch der Nationalrat Fabian Molina von der Sozialdemokratischen Partei (SP) an und betonte: »Daran darf sich die Schweiz nicht beteiligen.« Von der rechtsnationalen Schweizer Volkspartei (SVP) kam ebenfalls Kritik – allerdings wegen der Nichtteilnahme der Schweiz an dem Vorhaben. SVP-Nationalrat Alfred Heer, Kopräsident der Parlamentsgruppe »Schweiz–Israel«, befürwortet eine Zusammenarbeit, auf dass »jetzt Hilfe für die Zivilbevölkerung« ankomme.

Die Schweizer Justiz hat indes Vorermittlungen gegen GHF eingeleitet, da sie möglicherweise gegen das Stiftungsrecht verstößt. Denn mittlerweile ist der Genfer Rechtsanwalt David Kohler aus ihr ausgetreten. Die Gesetzeslage sei aber, dass »mindestens ein zeichnungsfähiges Mitglied des Stiftungsrats« in der Schweiz beheimatet sein müsse. Wie AFP am Montag berichtete, ist mittlerweile auch der Leiter von GHF, Jake Wood, zurückgetreten. Er sei zwar »stolz« auf den »pragmatischen Plan« der Stiftung, wieder Hilfsgüter in Gaza zu verteilen. Doch er sehe derzeit keine Möglichkeit, ihn umzusetzen, ohne humanitäre Grundsätze zu verletzen. Entsprechend fordert die Schweizer Menschenrechtsorganisation Trial International, dass Bern nicht allein über das Stiftungsrecht gegen die GHF vorgehe. Da sie gegen »Unparteilichkeit, Neutralität und Menschlichkeit« verstoße, müsse die Stiftung auch im Licht des humanitären Völkerrechts bewertet werden.

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