Gefährlicher Präzedenzfall für Lateinamerika
Von Volker Hermsdorf
Töten ist für sie ein Geschäft wie jedes andere. Im Irak-Krieg haben Söldner der berüchtigten US-Privatarmee Blackwater damit ein Vermögen verdient. Doch Washingtons Rückzug aus dem Land schmälerte den Gewinn des Unternehmens. Nachdem dessen Gründer Erik Prince Mitte März eine Allianz mit Ecuadors Machthaber Daniel Noboa vereinbart hatte, weitet der ehemalige US-Elitesoldat den Einfluss der mittlerweile in Academi umbenannten Firma in Lateinamerika weiter aus. Laut einem Bericht der New York Times schloss der nicht gewählte, aber von Washington protegierte Übergangsrat Haitis einen geheimen Vertrag mit Prince ab – Umfang und Kosten sind unbekannt.
Seit März sind seine Einheiten im ärmsten Land der westlichen Hemisphäre im Einsatz, schaffen aus Florida Waffen dorthin und steuern bewaffnete Drohnenangriffe. Dabei seien schon mehr als 200 Personen getötet worden, klagte Pierre Espérance, der Leiter einer Menschenrechtsorganisation in Port-au-Prince, gegenüber der Gazette Haiti. Eine Bestätigung, dass dabei auch nur ein einziger Gangführer getroffen wurde, gegen die sich die Aktionen angeblich richteten, gab es nicht. Deren Ergebnis war statt dessen die Einschüchterung der Zivilbevölkerung, die Verstärkung des Chaos und der Aufbau einer Schattenmacht mit direkten Verbindungen zur US-Regierung. Verstöße gegen geltendes Recht haben Tradition bei den Söldnern von Prince, der als enger Vertrauter von US-Präsident Donald Trump gilt. 2007 hatten Angehörige seiner Truppe in Bagdad 17 unbewaffnete irakische Zivilisten getötet. Vier Beteiligte, die deswegen verurteilt worden waren, wurden 2020 von Trump begnadigt.
In Haiti plant Prince nun den Einsatz von bis zu 150 bewaffneten Kräften sowie eine Ausweitung seines Einflusses auf staatliche Bereiche wie Zoll, Steuererhebung und öffentliche Verwaltung. Damit droht ein gefährlicher Präzedenzfall für Lateinamerika. »Sollte dies umgesetzt werden, käme es einer Privatisierung staatlicher Kernfunktionen gleich und würde der US-Söldnerfirma erheblichen Einfluss innerhalb der haitianischen Regierung verleihen«, warnte das Nachrichtenportal Telesur. Kritisiert wird ferner, dass die haitianische De-facto-Regierung bislang Details des Vertrags mit Prince nicht offengelegt habe. Auch gäbe es keinen Nachweis über eine US-Ausfuhrgenehmigung für Rüstungsgüter. »Diese Intransparenz schürt die Sorge über das tatsächliche Ausmaß der Intervention«, so Telesur. Derzeit rekrutiert Academi in den USA ausgebildete haitianisch-US-amerikanische Soldaten als Söldner für verdeckte Militäreinsätze, angeblich zur Bekämpfung der Bandenkriminalität in und um Port-au-Prince, berichtete die in New York erscheinende Onlinezeitung Haitian Times am Donnerstag vergangener Woche. Geplant seien Einsätze mit Hubschraubern, zusätzliche Waffenlieferungen und weitere Drohnenangriffe auf »Bandenhochburgen«.
Die US-Regierung bestreitet offiziell zwar jede Beteiligung daran, doch bereits im Mai hatte die linke Wochenzeitung Haïti Liberté vor »Trumps Plan für Haiti« gewarnt. Dessen Ziel sei es, »Washingtons Einfluss in einem zunehmend unruhigen Karibikraum zu festigen«. Private US-Militärunternehmen versuchen dabei, seit längerer Zeit ins Geschäft zu kommen. Im September 2024 hatte Haitis damaliger Premierminister Garry Conille einen entsprechenden Vertrag mit der Studebaker Defense Group unterzeichnet, auf deren Gehaltsliste viele ehemalige Pentagon- und CIA-Beamte stehen. Conille hatte den Übergangsrat darüber offenbar nicht informiert und wurde von diesem im November gefeuert.
Jetzt bieten neben Prince auch andere Vertraute Trumps ihre »Hilfe« für Haiti an. Am Dienstag besuchte Präsidentenberater Leslie Voltaire in Begleitung des haitianischen Botschafters in Washington den Vizepräsidenten El Salvadors, Félix Ulloa. Der sich selbst als »coolen Diktator« bezeichnende Staatschef des Landes, Nayib Bukele, bot sich an, das »Sicherheitsproblem in Haiti« zu lösen. Als Voraussetzung nannte er lediglich, dass die Kosten dafür übernommen würden. Die Bevölkerung Haitis gerät damit erneut zunehmend zwischen die Fronten von Bandengewalt, korrupten Politikern und imperialer Machtpolitik.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Robertson S. Henry/REUTERS10.04.2025
Widerstand im einstigen Hinterhof
- Enea Lebrun/dpa08.03.2025
»Trump wird den Niedergang der US-Hegemonie beschleunigen«
- Dreamstime/IMAGO06.03.2025
Mordamerikas Exportschlager
Regio:
Mehr aus: Ausland
-
»Die Emirate sind der wichtigste Player«
vom 05.06.2025 -
Gazaflottille weiter auf Kurs
vom 05.06.2025 -
Zweifel an Kiews Version
vom 05.06.2025 -
Gute Miene zu bösem Spiel
vom 05.06.2025 -
Taiwan rüstet gegen Beijing auf
vom 05.06.2025