Streit um Parteineugründung
Von Thorben Austen, Quetzaltenango
Am Ende ging alles sehr schnell. Nur wenige Tage nach der Ankündigung fand am Sonntag der Gründungskongress der neuen Partei statt. Rund 1.000 Anhänger der bereits 2023 zwangsaufgelösten Partei Movimiento Semilla von Präsident Bernardo Arévalo und ein Teil der Abgeordneten kamen im Industriepark in Guatemala-Stadt zusammen und wählten »provisorische« Führungsgremien. Zum Generalsekretär wurde Samuel Pérez gewählt, bisher Quasifraktionschef der seit der Suspendierung als Unabhängige im Parlament vertretenen Semilla-Abgeordneten. Auch der Name der neuen Partei, Raíces (Wurzel), zeigt die Nähe zum Movimiento Semilla (Samen).
Pérez begründete den Schritt damit, dass die Partei weiterhin aufgelöst sei. Denn trotz diverser juristischer Schritte konnte Semilla bisher nicht den Ende 2023 entzogenen Parteistatus und einen offiziellen Fraktionsstatus im Parlament wiedererlangen. Damit ist auch die Teilnahme an den Wahlen 2027 in Gefahr. Die erzwungene Auflösung war Teil des Versuchs des sogenannten Pakts der Korrupten, einer Riege aus Unternehmerverbänden, Politikern und der organisierten Kriminalität, den Amtsantritt von Arévalo zu verhindern.
Peréz erklärte gegenüber Medien, es gäbe noch keine Entscheidung über Kandidaten für die Wahlen 2027, dies müsse in einem »demokratischen Prozess entschieden werden, so wie damals bei Semilla«. Zur Finanzierung des schnell realisierten Kongresses sagte Pérez, diese sei durch »Abgeordnete, Mitglieder der Partei und der Partei nahestehende Kleinunternehmer« erfolgt. Medien hatten die Frage aufgeworfen, wer den Kongress bezahlt hatte. Sie monierten, dass keine konkreten Zahlen zur Finanzierung genannt worden seien. Dabei wären Teilnehmer gratis in Bussen in die Hauptstadt gefahren worden und hätten dort kostenlose Verpflegung erhalten.
Doch nicht nur von außen, auch innerhalb von Semilla gibt es Unmut. Verschiedene Abgeordnete kritisierten, dass es keine Diskussion in der Bewegung und noch nicht einmal in der »Fraktion« über die Neugründung gegeben habe. Einer von ihnen, Raúl Barrera, erklärte gegenüber den Medien: »Keine Partei kann sich Nachfolger von Semilla nennen, ohne die Zustimmung der gesamten Basis.« Er und acht weitere der 23 Semilla-Abgeordneten lehnten die Neugründung ohne vorherige Befragung der Basis ab. Bei einem Treffen zwischen den beiden Gruppen der Abgeordneten habe Pérez nach Medienberichten darauf bestanden, dass der kurzfristig einberufene Kongress der neuen Partei stattfinden müsse, weil »alles organisiert sei«. Barrera betonte dagegen, man solle zum »demokratischen Weg zurückkehren, um einen endgültigen Bruch in Semilla zu verhindern«.
Präsident Arévalo räumte auf einer Pressekonferenz Ende vergangener Woche ein, dass es »verschiedene Gruppen« innerhalb der Bewegung gäbe, ohne sich jedoch zu positionieren. Am Montag erklärte der Staatschef, die Gruppe um die neue Partei Raíces habe »ausdrücklich erklärt, die Regierung weiter zu unterstützen«. Auf Nachfrage, ob Pérez weiter als »Verbindungsmann zwischen der Exekutive und dem Kongress fungieren werde«, schränkte Arévalo jedoch ein, das werde die weitere Diskussion in der Partei »anhand der Ereignisse vom Wochenende zeigen«. Pérez selbst erklärte in den Medien, die »Unterstützung für Arévalo« sei »absolut und bedingungslos«, die Gründung von Raíces habe »nichts mit Opposition gegen die Regierung zu tun«.
Unterdessen hat die Staatsanwaltschaft erneut Ermittlungen gegen Arévalo aufgenommen, wie das Webportal Soy502 am Sonntag berichtete. Diese seien von der ultrarechten Gruppierung Guatemala Inmortal (Guatemala unsterblich) wegen der »Gefahr für die Souveränität Guatemalas« angestoßen worden. Zuvor hatten Äußerungen des Präsidenten von Costa Rica die Gemüter erhitzt. Vergangenen Mittwoch hatte Rodrigo Chaves bei einer Pressekonferenz auch Arévalos Ehefrau erwähnt: Seit Monaten sei Lucrecia Peinado als First Lady in Mexiko auf der Flucht, »weil sie Angst vor einer korrupten Staatsanwaltschaft hat«. Dementiert wurde das umgehend nicht nur von der Regierung, sondern auch von Peinado selbst. Ihr Aufenthalt dort habe mit ihrem Arbeitsprogramm zu tun, erklärte sie.
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