Kabila wittert seine Chance
Von Bernard Schmid
Will Expräsident Joseph Kabila mit Hilfe von Rebellengruppen zurück an die Macht? Diesen Verdacht hegt jedenfalls die kongolesische Regierung unter dem aktuellen Staatschef Félix Tshisekedi. Sein Vorgänger Kabila hatte nach seinem Abgang im Januar 2019 mehrere Jahre lang versucht, die Kontrolle über die politischen Abläufe zu behalten.
Der 53jährige wurde im Januar 2001 als Sohn und Amtsnachfolger des von einem Leibwächter ermordeten Präsidenten Laurent-Désiré Kabila Staatsoberhaupt der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Sein letztes Mandat lief offiziell Ende 2016 aus, doch akzeptierte er erst zwei Jahre später die Abhaltung einer neuen Präsidentschaftswahl, nachdem er ein Abkommen mit dem langjährigen Oppositionellen Tshisekedi getroffen hatte. Kabila und seine Unterstützer glaubten, den Chef der damals oppositionellen »Union für Demokratie und sozialen Fortschritt« durch eine Allianz im Parlament und in den staatlichen Institutionen einbinden und kontrollieren zu können. Tshisekedi wurde Präsident; Kabila zum »Senator auf Lebenszeit« ernannt.
Nun aber strebt er offensichtlich zurück an die Macht. Dafür stützt er sich auf Rebellengruppen, die seit Jahresbeginn Teile des Ostens der DR Kongo kontrollieren. In der Nacht von Sonntag auf Montag kündigte die Miliz »Bewegung des 23. März« (»M 23«) das Eintreffen Kabilas in Goma an. Die Hauptstadt der Provinz Nordkivu wurde Ende Januar 2025 mit Unterstützung ruandischer Truppen durch die »M 23« eingenommen. Dazu schrieb Lawrence Kanyuka, Sprecher der »M 23« und ihrer zivilen Vorfeldorganisation »Allianz des Kongostroms« (AFC) auf X: »Wir wünschen ihm einen angenehmen Aufenthalt in den befreiten Zonen.«
Am Vortag hatte der kongolesische Senat die Aufhebung der parlamentarischen Immunität Kabilas beschlossen, was den Weg zu einer Anklage wegen »Hochverrats« öffnen soll. Schon im April war er von der amtierenden Regierung verdächtigt worden, sich mit der »M 23«-Miliz taktisch oder strategisch verbünden zu wollen. Daraufhin kam es zu Durchsuchungen auf dem Anwesen der Familie Kabila. Die Miliz verstärkt unterdessen die Kontrolle in den von ihr besetzten Landesteilen im Ostkongo, installiert Kommunalverwaltungen und erhebt eine Reihe neuer »Steuern« auf Kleingewerbetreibende.
Am Dienstag veröffentlichte die Menschenrechtsorganisation Amnesty International eine Erklärung zum Ostkongo, deren wesentlichen Inhalt die Überschrift bereits ausdrückt: »Die ›M 23‹ tötet, foltert und hält Zivilisten an Haftorten als Geiseln – Neue Untersuchung.« Das Kommuniqué enthält Luft- oder Satellitenaufnahmen von mehreren Gefängnisstätten. Ausführlich beschrieben werden etwa die Zustände in der Anlage »Chien méchant« (bösartiger Hund) auf dem Mont Goma, einer 1.500 Meter hohen Anhebung inmitten der gleichnamigen Stadt. Die Organisation Amnesty International gibt an, dass sie bei ihren Untersuchungen zum Ergebnis gekommen ist, dass Aufnahmen von Verletzungen den detaillierten Zeugenaussagen von Misshandlungen genau entsprechen würden.
Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) erklärte am Montag, zehn Millionen Menschen im Ostkongo seien im Kontext der Krisen akut von Unterernährung und Hunger bedroht. Das WFP nannte konkret die Provinzen Nordkivu und Südkivu, also die Hauptschauplätze der kriegerischen Auseinandersetzungen der vergangenen Monate zwischen kongolesischen Regierungstruppen, »M 23« und ruandischen Militärs, sowie die südlich angrenzende Region Tanganjika, das Hinterland des gleichnamigen Sees. Zusätzlich nennt die Organisation die Provinz Ituri. Auch dort sind seit Jahren mehrere Milizen aktiv, unter ihnen eine dschihadistische Sekte mit dem trügerischen Namen »Allied democratic forces« (ADF) – eine Absplitterung der Opposition aus dem Nachbarland Uganda. Sie wird mit Billigung des kongolesischen Staats von ugandischen Truppen bekämpft.
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