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Das Versprechen

Von Pierre Deason-Tomory
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Oberflächliche Liebe, Eifersucht, falsche Moral: Leoš Janáčeks »Jenůfa« (Royal Opera, London)

Der australische Hitradiosender Cada hat ein halbes Jahr lang heimlich eine KI-generierte Moderatorin eingesetzt – und keiner hat’s gemerkt. Bis eine Bloggerin neulich feststellte, dass »Thy«, so heißt der DJ-Roboter, das Wort »oldschool« immer gleich ausspricht, und eine Tonanalyse daraufhin feststellte, dass diese Feststellung korrekt ist. Was der Senderbetreiber bestätigte – ohne schlechtes Gewissen. »Weekdays with Thy« läuft weiter und weiterhin ohne Hinweis auf das Wesen der Gastgeberin. Beim Bayerischen Rundfunk soll es vor langer Zeit – vor KI – eine Nachrichtensprecherin gegeben haben, die so perfekt vortrug, dass auf Hörerseite der Verdacht aufkam, ihre Sendungen würden voraufgezeichnet. Um das Gerücht zu widerlegen, bekam die Kollegin angeblich eine Dienstanweisung, sich bei einer bestimmten Meldung zu versprechen.

Was sie auch tat, erzählte mir meine Ausbilderin, als ich Ende der 80er Jahre in München zum Nachrichtenonkel hergerichtet wurde. Ich selbst war nicht fehlerfrei am Mikrophon, lernte aber, wie wichtig die Gestik beim Vortrag ist. Einmal war die Putzfrau frühmorgens staubsaugend ins Studio gekommen, in dem ich gerade die Nachrichten vorlas. Ich las weiter, versuchte aber, sie mit ausholenden Händen zu verscheuchen. Sie begriff irgendwann und ging hinaus, ohne allerdings den Staubsauger auszumachen, und saugte auf dem Gang weiter, ohne die Tür zum Studio zu schließen. Es war alles zu hören. Aber versprochen habe ich mich in dieser Sendung nicht!

Vielversprechende Features gibt es in den nächsten sieben Tagen, am Mittwoch zum Beispiel bei den Deutschlandradios:  »Schockstarr, überrumpelt, eingeschüchtert – Die Liberalen in den USA« (19.30 Uhr, DLF Kultur) und »Christlicher Nationalismus: Wie religiöse Rechte die USA zu einem Gottesstaat machen wollen« (20.10 Uhr, DLF). Dokumentarische Darstellung einer naheliegenden Fiktion ist das Stück  »Bundeskanzler Höcke – Die ersten Schritte in ein neues Reich« (Lutz Kohlschmidt, Thomas Harting/Coloradio Dresden 2025, Do., 9 Uhr, Sa., 14 Uhr, FSK Hamburg).

Über »Deepfakes, Desinformation und Techvisionen« ist am Wochenende beim Berliner Festival für digitale Gesellschaft Re:publica 2025 diskutiert worden, »Matrix« berichtet (Fr., 19.05 Uhr, Ö 1). »Deutschland, höre!« ruft die »Lange Nacht« über die BBC-Ansprachen von Thomas Mann, doch es ist ja nachts, da schläft’s und hört nicht, das deutsche Land. So wie am Tage auch. Dabei hat Sandra Hüller extra 15 Mann-Reden neu eingesprochen (Sa., 0.05 Uhr, DLF Kultur, 23.05 Uhr, DLF). Von der Rückkehr eines ausgewanderten Deutschen und der Unmöglichkeit dieser Option erzählt das Hörspiel »Il Ritorno in Patria« nach W. G. Sebald (ORF, SRF 2021, Sa., 20 Uhr, SRF 2 Kultur).

Eine kindsmordende Mutter ist die Heimat in der Oper »Jenůfa« von Leoš Janáček, die ARD-Kulturradios haben sich einen Mitschnitt der Londoner Royal Opera aus dem Februar geborgt (Sa., 20.03 Uhr, BR Klassik, MDR Klassik, NDR Kultur, HR 2 Kultur, Radio 3, SR 2 Kultur, SWR Kultur, WDR 3). Dalila Zouaoui-Becker hält sich in »Essay und Diskurs« bedeckt in einer Oberaufgeregtheit dieser Tage, »Der Stoff des Anstoßes: Homer, Gott, das Kopftuch und ich!« (So., 9.30 Uhr, DLF). Am Sonntag abend kommt die erste der drei Folgen von Balzacs »Eugénie Grandet« (DLR Kultur 2015, So., 18.30 Uhr, DLF Kultur). Und am Montag abend kommt der Santa Claus: »Professor van Dusen spielt Weihnachtsmann« aus der berühmten Reihe von Michael Koser (RIAS 1989, Mo., 22.05 Uhr, DLF Kultur).

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