An der Kasse bleibt's teuer
Von Gudrun Giese
Lange Zeit hatten sich die Lebensmitteleinzelhändler bei den Preisen nur noch nach oben orientiert. Nun gibt es eine leichte Gegenbewegung – so wird es zumindest kolportiert. Denn bei genauer Betrachtung buhlen die marktbeherrschenden Discounter vor allem um die Aufmerksamkeit der potentiellen Kundschaft, die sich immer weniger leisten kann. Die Preissenkungen bleiben weitgehend minimal.
Das Fachportal Lebensmittelzeitung.net berichtete am vergangenen Sonnabend über einen Vorstoß der zur Schwarz-Gruppe gehörenden Discounterkette Lidl, mehr als 500 verschiedene Produkte quer durch das gesamte Sortiment dauerhaft im Preis zu reduzieren. Daraufhin kündigten Aldi und Edeka an, zeitnah mit vergleichbaren Senkungen nachzuziehen. Was Friedrich Fuchs, Deutschlandchef bei Lidl, vollmundig als »größte Preissenkung aller Zeiten« ankündigte, entpuppt sich eher als moderate Rücknahme massiver Erhöhungen – und das eben auch nur bei einzelnen Produkten. Lebensmittelzeitung.net nennt beispielsweise die achtprozentige Reduzierung eines Schoko-Hafer-Drinks von 1,25 auf 1,15 Euro oder die Preissenkung für eine Flasche Wein der Rebsorte Primitivo von 5,99 um 16 Prozent auf 4,99 Euro. Außerdem kosteten regional einzelne Artikel um bis zu 35 Prozent weniger als vorher. Bild jubilierte in ihrer Montagsausgabe bereits, dass der Vorstoß von Lidl eine »Kettenreaktion« bei der Konkurrenz ausgelöst habe. Konkret wurden bisher der Discounter Aldi, der ab den kommenden Wochen ebenfalls einige hundert Artikeln dauerhaft günstiger anbieten will sowie Marktführer Edeka, der Eigenmarken sowie Produkte der konzerneigenen Discounterkette Netto in ähnlichem Umfang im Preis reduzieren werde, wie es Lidl und Aldi vorexerzieren.
Letztlich kehren die Discounter mit den groß beworbenen Aktionen zu ihrem früheren Verhalten zurück, das im Zuge der massiven Preissteigerungen der zurückliegenden Jahre auf Eis gelegt worden war. Die aggressiv in Werbespots angepriesenen Preissenkungen für ausgewählte Produkte sollen der Konkurrenz die Kundschaft abjagen. Generell gingen im März dieses Jahres die Lebensmittelpreise laut Statistischem Bundesamt (Destatis) tatsächlich in einigen Sektoren deutlich zurück. Frisches Gemüse sei etwa verglichen mit dem Vorjahresmonat rund 20 Prozent günstiger gewesen. Auch die Preise von Milchprodukten seien gesunken. Doch zugleich bleiben viele Artikel teuer oder wurden sogar mit steigenden Preisen versehen. So kostet Kaffee seit einigen Monaten mehr als im vergangenen Jahr. Um ein Prozent teurer seien Fisch und Meeresfrüchte geworden; Zucker, Marmelade, Honig und andere Süßwaren um acht Prozent, meldete Destatis im April. Auch Obst und Brot hätten beim Preisanstieg über der Inflationsrate von 2,2 Prozent gelegen. Besonders krass sei der Preisanstieg bei Olivenöl, das sich binnen eines Jahres um rund 54 Prozent verteuerte.
Lidl wolle derweil mit dem Vorpreschen bei ausgewählten Preissenkungen möglichst schnell Marktanteile zurückgewinnen, die vor allem Aldi Nord, aber auch Aldi Süd dem Schwarz-Discounter im vergangenen Geschäftsjahr abgenommen hätten, hieß es auf Lebensmittelzeitung.net. Blieben die Preise ein Jahr lang auf dem gesenkten Niveau, könnte Lidl nach Einschätzung von Brancheninsidern »auf einen hohen dreistelligen Millionenbetrag an Marge verzichten«. Doch Aldi konterte umgehend und kündigte ebenfalls Preissenkungen an. »Preisführerschaft ist für uns kein kurzfristiger Aktionsmodus, sondern ein Grundprinzip«, zitierte das Fachportal Felix Rottmann, Deutschland-Chef von Aldi Nord. Damit würden die Kunden »in diesen herausfordernden Zeiten« entlastet. Wie weit her es mit solch angeblichem Altruismus ist, dürfte sich schon bald zeigen, wenn der Werbeeffekt der jetzigen Aktionen verpufft ist und die Preise wieder in die übliche Richtung gebracht werden: steil nach oben.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- imago images/Michael Gstettenbauer15.08.2024
Und … Action!
- Hannes P Albert/dpa30.03.2024
Verdi mit Aktionen zum Osterwochenende
- imago images/imagebroker02.03.2022
Apropos Lieferketten
Mehr aus: Inland
-
Merz erhöht die Reichweite
vom 27.05.2025 -
»Die Jungen bleiben häufig auf sich gestellt«
vom 27.05.2025 -
Die To-do-Liste des Generals
vom 27.05.2025 -
Rechtsprechung nicht auf Linie
vom 27.05.2025 -
Befindlichkeiten bei der GEW
vom 27.05.2025 -
»Die ›Kleinen‹ sollten noch kleiner gehalten werden«
vom 27.05.2025