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Aus: Ausgabe vom 30.03.2024, Seite 5 / Inland
Tarifauseinandersetzungen

Verdi mit Aktionen zum Osterwochenende

Streiks bei Kaufland und Lidl am Gründonnerstag. Ausstände im norddeutschen ÖPNV abgesagt
Von Gudrun Giese
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Verdi-Forderung für Beschäftigte im Einzelhandel: 2,50 Euro mehr pro Stunde (Berlin, 21.7.2023)

Kurz vor Ostern gab es etliche Abschlüsse in langen Tarifkonflikten. Nach GDL und Bahn AG, Verdi und Lufthansa kamen Tarifverträge für die Beschäftigten der Zuckerindustrie sowie im öffentlichen Personennahverkehr Schleswig-Holsteins zustande. Ohne absehbare Annäherung bleiben wohl auch über die Feiertage die Tarifparteien im Handel. Am Donnerstag streikten bundesweit Beschäftigte aus dem Einzelhandel sowie aus dem Groß- und Außenhandel schwerpunktmäßig vor Filialen und Lagerstandorten der Schwarz-Gruppe, zu der die SB-Warenhauskette Kaufland und der Discounter Lidl gehören.

Aktionshöhepunkt im Raum Berlin-Brandenburg war ein Streik vor dem Kaufland-Lager in Lübbenau, an dem sich auch Mitarbeiter anderer Handelsunternehmen beteiligten. Der Verdi-Vorsitzende Frank Wernke sprach auf der Kundgebung zu den Streikenden. Die Schwarz-Gruppe zähle zu den Blockierern im Handelsverband, hieß es in einer Erklärung der Gewerkschaft vorab. Da der Konzern zugleich »einer der marktprägenden Akteure« im Handel sei, setzte Verdi diesmal den Streikschwerpunkt bei Kaufland und Lidl, nachdem es in der Vergangenheit bereits vergleichbare Akzentsetzungen bei den Handelsschwergewichten Edeka und Rewe gegeben hatte.

Verdi kritisiert die mangelnde Bereitschaft der Unternehmensvertreter in den Handelsverbänden, zu einem verbindlichen Tarifabschluss zu gelangen. Zwar seien mittlerweile bereits in zwei Tranchen die Entgelte um insgesamt rund zehn Prozent erhöht worden, doch solche sogenannten freiwilligen Anhebungen seien nicht rechtssicher, böten den Beschäftigten keine Planungssicherheit und könnten den Reallohnverlust der zurückliegenden drei Jahre nicht ausgleichen. Deshalb sei die Streikbereitschaft im Handel nach wie vor hoch. Verdi fordert seit inzwischen fast einem Jahr für die Beschäftigten des Einzelhandels 2,50 Euro mehr Stundenlohn bei einer Laufzeit des Tarifvertrages von zwölf Monaten. Im Groß- und Außenhandel sollen die Entgelte um 13 Prozent, mindestens aber 450 Euro monatlich steigen.

Die Schwarz-Gruppe habe als drittgrößter Lebensmittelhändler in der Bundesrepublik erheblichen Einfluss in den Tarifkommissionen und im tarifpolitischen Ausschuss des Handelsverbandes HDE, betonte Silke Zimmer, für den Handel zuständiges Verdi-Bundesvorstandsmitglied. Statt diesen Einfluss zu nutzen, »unterstützen sie wie alle anderen großen Handelskonzerne die Verweigerungshaltung der Arbeitgeberverbände, die seit Wochen jegliche Gespräche und Lösungsansätze mit der Arbeitnehmerseite verweigern«. In der vergangenen Woche hatte es in Bayern die bereits zehnte Tarifrunde für den Groß- und Außenhandel gegeben – ohne Annäherung.

Unterdessen hat die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) am Mittwoch in der dritten Verhandlungsrunde einen Abschluss für die rund 5.700 Mitarbeiter der Zuckerindustrie erreicht. »Das klare Signal der Beschäftigten, dass sie zu Streiks bereit sind, hat dieses Ergebnis möglich gemacht«, sagte der stellvertretende NGG-Vorsitzende Freddy Adjan. Bei einer Laufzeit von zwölf Monaten steigen die Löhne zum 1. April um 5,5 Prozent, dazu: deutlich mehr Urlaubsgeld und höhere Ausbildungsvergütungen. »Das Gesamtpaket passt«, so Adjan.

Ebenfalls am Mittwoch einigten sich Verdi und Vertreter von ÖPNV-Unternehmen in Schleswig-Holstein in der fünften Runde der Verhandlungen auf einen Tarifabschluss. Bei der Arbeitszeit kam ein Kompromiss zustande: Bis 2027 soll sie schrittweise auf 37,5 Stunden wöchentlich verringert werden. Ein Jahr später gibt es einen zusätzlichen bezahlten freien Tag, woraus rechnerisch eine 37-Stunden-Woche folgt. Verdi hatte zunächst eine Senkung von bisher 39 auf 37 Arbeitsstunden gefordert. Außerdem werden die Zuschläge für Sonnabendarbeit erhöht. Dienste sollen künftig nie länger als zehn Stunden am Stück dauern. »Ein hartes Stück Arbeit« sei der Abschluss gewesen, urteilte Sascha Bähring, Verhandlungsführer bei Verdi Nord. Der Kompromiss sei nun wegweisend für alle Nahverkehrsunternehmen bundesweit, die noch verhandelten.

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