Hohe Hürde für Erneuerbare
Von Wolfgang Pomrehn
In Rostock ging am Freitag ein Treffen der Energieminister von Bund und Ländern zu Ende, auf der Tagesordnung standen unter anderem die Strompreise und der Netzausbau. Die beiden Themen sind miteinander verknüpft, denn der Netzbetrieb und -ausbau wird über die Netzentgelte finanziert, die für private Verbraucher durchschnittlich knapp 28 Prozent des Strompreises ausmachen.
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hatte vor dem Treffen staatliche Kredite für den Ausbau der Hochspannungsnetze gefordert. Ein Teil der Fachwelt erachtet diesen für die weitere Entwicklung der erneuerbaren Energieträger für unverzichtbar. Diese Netze verteilen den Strom über weite Strecken durchs Land, zum Beispiel den in Norddeutschland reichlich anfallenden Windstrom in die großen industriellen Zentren im Ruhrgebiet und in Süddeutschland. Auch aus der Wirtschaft kamen entsprechende Forderungen. »Ohne eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt drohen erneut stark steigende Netzentgelte für Unternehmen und Verbraucher«, zitiert der NDR den Präsidenten der Schweriner Industrie- und Handelskammer, Matthias Belke.
Allerdings könnte der Bedarf für den Netzausbau zum Beispiel durch einen stärkeren Ausbau der Windenergie in den südlichen Flächenländern reduziert werden. Ebenso könnte ein schneller Ausbau von Speichern und Elektrolyseuren helfen, den Bedarf zu senken. Letztere erzeugen mit Strom aus Wasser Wasserstoff, der sowohl als Speichermedium von Interesse ist, als auch in der chemischen Industrie vielfach Verwendung findet. In der Stahlindustrie könnte er künftig die Kohle ersetzen und die Stahlproduktion somit erheblich klimafreundlicher machen. Würde die elektrische Wasserstoffproduktion rasch ausgebaut und auf die Stunden konzentriert, in denen reichlich Wind-, Solarstrom oder auch beides anfällt – wie zum Beispiel letzte Woche –, könnten Windparks und Solaranlagen besser ausgenutzt werden. Mit dem zunehmenden Ausbau kommt es nämlich immer öfter vor, dass zeitweise mehr Strom produziert als benötigt wird oder über die Netze abtransportiert werden kann.
Davon abgesehen stellt sich die Frage, weshalb der Staat in die privaten Übertragungsnetze investieren sollte, deren Betreiber ein Monopol besetzen, deren Preise staatlich reguliert werden und denen ein Monopolgewinn garantiert wird. 5,07 Prozent sind es für die Bestandsanlagen, während sie mit Neuanlagen 6,74 Prozent Gewinn erzielen dürfen. Das ist den Konzernen aber offensichtlich zuwenig, weshalb sie nur sehr zögerlich Kapital für den Netzausbau mobilisieren. Dänemark zeigt, dass sich Netzbetrieb und Ausbau auch ganz anders organisieren lassen. Dort wird das Hochspannungsnetz von einer nicht profitorientierten staatlichen Gesellschaft betreut. Die von den Verbrauchern zu zahlenden Netzentgelte sind so gestaltet, dass mit ihnen lediglich Betrieb, Instandhaltung und Neuinvestitionen finanziert werden.
Auch auf der mittleren Spannungsebene, mit der der Strom in den Regionen verteilt und oft auch die Erzeugung von Windparks und größeren Solaranlagen eingesammelt wird, gibt es Probleme mit dem Netzausbau und den Anschlüssen neuer Windparks. Bisher sieht das Erneuerbare-Energien-Gesetz für die Betreiber einen Rechtsanspruch auf sofortige Anschlüsse vor. Bezahlt wird das über die Netzentgelte von den Verbrauchern. Das ist einer der Gründe, weshalb die Entgelte in Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg überdurchschnittlich hoch sind. Nun könnte man natürlich denken, dass man sich dann vielleicht die Rendite der Netzbetreiber sparen sollte. Die Schweriner Koalition aus SPD und Linkspartei hatte da jedoch eine andere Idee. Sie schlägt vor, dass die Windparkbetreiber künftig ein wenig auf ihren Anschluss warten, ihre Anlagen also eine Zeitlang nutzlos herumstehen lassen sollen. Bärbel Heidebroek, Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie, findet das absurd. Neue Hürden für die Energiewende würden so geschaffen. Schwerin solle sich lieber für Netzausbau und mehr Flexibilität einsetzen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (25. Mai 2025 um 20:43 Uhr)Wer Lust hat, kann sich durch dieses Papier wühlen: »BUNDESNETZAGENTUR, Diskussionspapier, Rahmenfestlegung Allgemeine Netzentgeltsystematik Strom (AgNes), Stand: Mai 2025«, (https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Beschlusskammern/1_GZ/GBK-GZ/2025/GBK-25-01-1%233_AgNes/Downloads/Diskussionspapier.pdf?__blob=publicationFile&v=6) und/oder diesen youtube-Beitrag anschauen: »Aus für private Photovoltaik? - Einspeise Entgelt für ALLE soll kommen!« (man muss halt gut neunzehn Minuten durchhalten: https://www.youtube.com/watch?v=cRM4CXko_dU). Im youtube-Beitrag werden allerhand Aspekte beleuchtet.
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