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Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 7 / Ausland
Präsidentschaftswahlen

Boliviens Linke gespalten

Morales nicht zur Wahl zugelassen. Fehde mit Amtsinhaber Arce spitzt sich zu
Von David Siegmund-Schultze
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Sie bleiben ihm treu: Anhänger fordern die Zulassung von Evo Morales zur Präsidentschaftswahl (La Paz, 16.5.2025)

Das linke Lager in Bolivien ist polarisiert: Der Machtkampf zwischen Evo Morales und Luis Arce überschattet die für den 17. August angesetzten Präsidentschaftswahlen. Am Dienstag (Ortszeit) erklärte das Oberste Wahlgericht des Landes (TSE), die Kandidatur von Morales werde nicht zugelassen. Die Begründung: Die Partei Nationale Aktion Boliviens, für die er antreten wollte, sei nicht berechtigt, an der Wahl teilzunehmen. Außerdem besteht gegen den indigenen Expräsidenten ein Urteil des Verfassungsgerichts von Ende 2023, das seine Kandidatur untersagt. Denn das Recht schreibe vor, dass ein Präsident nur ein Mal wiedergewählt werden dürfe. Dagegen wendet Morales, der von 2006 bis 2019 bereits zu drei Amtszeiten antrat, ein, dass sich das entsprechende Gesetz lediglich auf kontinuierliche Amtszeiten beziehe. Eine Wiederwahl nach einer Unterbrechung sei durch die Verfassung nicht verboten.

Am Mittwoch kündigte der Vorsitzende der Bauerngewerkschaft CSUTCB, Pedro Llanque, an, dass noch am selben Tag Demonstrationen beginnen werden, um die Zulassung von Morales einzufordern. Auf einer Pressekonferenz sagte er: »Ohne Evo sollte es keine Wahlen geben.« Morales selbst schrieb am Dienstag auf X, dass die Entscheidung gegen ihn eine Gefahr für die Demokratie sei. Sie führe dazu, »dass die indigene, bäuerliche und Volksbewegung von den Wahlen ausgeschlossen wird«. Arce, Amtsinhaber und einstiger Weggefährte von Morales, hatte am vergangenen Dienstag überraschend bekanntgegeben, nicht erneut anzutreten. Statt dessen schickt die einst von Morales gegründete Partei Bewegung zum Sozialismus (MAS) den bisherigen Innenminister Eduardo del Castillo ins Rennen. In dieser Funktion reagierte del Castillo auf regierungskritische Proteste des Morales-Lagers wiederholt mit polizeilicher Repression. Außerdem drohte er, den Expräsidenten im Zuge von Vorwürfen wegen sexueller Gewalt gegen Minderjährige zu verhaften.

Hintergrund des Machtkampfs sind persönliche Rivalitäten zwischen Morales und Arce. Nachdem Morales 2019, entgegen der Verfassung, wiedergewählt wurde, putschte sich die rechte Jeanine Añez an die Macht. Der Wahlsieger ging ins Exil. 2020 kam es erneut zu Wahlen, die Arce gewann – Morales konnte ins Land zurückkehren. Doch schon im darauffolgenden Jahr begann die Fehde zwischen den beiden. Morales’ Vorwurf lautete, Arce würde versuchen, seine erneute Kandidatur zu verhindern. Im Gegenzug wirft der Amtsinhaber dem Expräsidenten vor, seine Regierungsarbeit zu sabotieren. Tatsächlich mobilisierte Morales seine Anhänger im Parlament, um Arces Vorhaben zu blockieren. Der Streit entzweite sowohl die MAS, der beide inzwischen nicht mehr angehören, als auch Gewerkschaften und soziale Bewegungen. In der Folge kam es immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen beiden Lagern. Inhaltlich trennt sie jedoch nicht viel: Arce stellte die von Morales durchgesetzte Verstaatlichung der natürlichen Ressourcen und die errungenen Rechte der marginalisierten Landbevölkerung nicht in Frage.

Die Popularität der Regierung Arce ist dabei immer weiter gesunken. Neben der institutionellen Blockade hat das auch mit der desolaten Wirtschaftslage zu tun: Wegen Devisenmangels hat die Regierung Probleme, ausreichend Kraftstoffe zu importieren. Die Versorgungskrise führte im März dieses Jahres zur Schließung von Tankstellen und langen Schlangen an den Zapfsäulen. Außerdem kam es zu Protesten und Straßenblockaden. Die seit fünf Wahlen sieglose Rechte hat es derweil nicht geschafft, ein Bündnis zu schmieden. Aus dem traditionell von Rassismus und Klassismus gekennzeichneten Lager wurden gleich sieben Kandidaten zur Wahl zugelassen. Noch ist nicht abzusehen, ob sie von der Wirtschaftskrise und der Spaltung der Linken profitieren können. Ebenso unklar ist, ob der als Alternative zum Arce- und Morales-Lager angetretene Andrónico Rodríguez zur Wahl zugelassen wird. Darüber, ob der laut den Umfragen populärste Linke kandidieren darf, wolle das TSE am Mittwoch entscheiden. Auf X schrieb er am Dienstag, das Wahlgericht »spielt mit dem Feuer«.

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