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Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 7 / Ausland
Aufrüstung

Sternenkrieg in Gold

USA: Präsident Trump lässt Reagans »Star Wars«-Projekt wiederaufleben und präsentiert neue Pläne für Luftabwehrschirm
Von Jörg Kronauer
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Sieht ein bisschen aus wie Charlie Chaplin in »Der große Diktator«: Trump im Oval Office (Washington, D. C., 20.5.2025)

Star Wars kehrt zurück: US-Präsident Donald Trump hat am Dienstag (Ortszeit) die nächsten Schritte zur Entwicklung eines gigantischen neuen Raketenabwehrschilds angekündigt. Das Projekt, das er schon im Januar per Dekret initiiert hatte, orientiert sich gedanklich am »Iron Dome«, dem Abwehrschild, den Israel errichtet hat, um anfliegende Raketen abzufangen. Der »Golden Dome«, wie Trump sein Vorhaben standesgemäß getauft hat, soll die USA auf ähnliche Weise schützen. Dazu haben die Planer ein komplexes System aus teils bodengestützten, vor allem aber im Weltall stationierten Elementen im Blick. Trump hat nun aus mehreren Entwürfen diejenigen ausgewählt, die er realisiert sehen will. Zudem hat er den Viersternegeneral Michael Guetlein, der gegenwärtig in einer Führungsposition bei der U. S. Space Force arbeitet, zum Leiter des Projekts bestimmt. Trump zufolge soll es gegen Ende seiner zweiten Amtszeit fertiggestellt sein.

Der »Golden Dome« verfolgt Ziele, die mit dem Attribut »ehrgeizig« noch relativ vorsichtig umschrieben sind. Die bisherige US-Raketenabwehr konzentriert sich – jedenfalls offiziell – darauf, ballistische Raketen abzufangen, die von »Schurkenstaaten« abgefeuert werden. Gemeint sind etwa Iran oder Nordkorea. Gegenüber Russland und China setzt Washington bislang offiziell auf nukleare Abschreckung. Trump will künftig nicht nur ballistische Raketen, sondern auch Marschflugkörper, Hyperschallwaffen und alle künftig zu entwickelnden fliegenden Angriffswaffen abwehren können, ausdrücklich auch solche, die fast oder völlig gleichstarke Staaten abschießen – Russland oder China eben. Zudem beharrt er darauf, die USA komplett verteidigen zu können. Zum Vergleich: Israel hat seinen »Iron Dome« über einer Fläche aufgespannt, die kaum größer ist als Hessen. Die USA sind aber mehr als 27mal so groß wie Deutschland.

Dass sich ein so riesiges Gebiet verlässlich gegen Flugkörper aller Art verteidigen lässt, bezweifeln viele. Der Verdacht, der »Golden Dome« werde letztlich nur eine Reihe privilegierter Territorien verteidigen können – sagen wir: Washington, D. C. –, ist nicht ausgeräumt. Hinzu kommen die Kosten. Trump nannte am Dienstag eine Summe von gut 175 Milliarden US-Dollar und behauptete, die Finanzierung sei eigentlich geklärt. Republikaner im US-Kongress hantieren aktuell allerdings mit einem Betrag von allenfalls 25 Milliarden US-Dollar im nächsten Haushaltsplan. Berechnungen, die etwa das offiziöse Congressional Budget Office vorgenommen hat, gehen von Kosten bis zu 831 Milliarden US-Dollar in den nächsten zwei Jahrzehnten aus. Wohl auch um die Ausgaben zumindest ein wenig zu senken, will Trump Kanada in den »Golden Dome« und seine Finanzierung einbeziehen. Geographisch läge dies nahe, zumal der US-Bundesstaat Alaska ebenfalls unter den Abwehrschirm gestellt werden soll. Aus Ottawa heißt es, die Regierung unter Premierminister Mark Carney ziehe dies tatsächlich in Betracht. Allerdings geriete Kanada damit in noch größere Abhängigkeit von den USA.

Manche vergleichen den »Golden Dome« mit der Strategic Defense Initiative (SDI), die der damalige US-Präsident Ronald Reagan 1983 startete. SDI, von Kritikern »Star Wars« tituliert, scheiterte technologisch, trug aber dazu bei, die Sowjetunion totzurüsten. Im Hinblick auf die US-Haushaltslage stellt sich heute freilich die Frage, ob die USA sich damit nicht eher selbst ins finanzielle Aus befördern als etwa China. »Golden Dome«-Chef Guetlein dagegen zieht Parallelen zum »Manhattan Project«, mit dem die USA in den 1940er Jahren Atomwaffen entwickelten; es war zugleich ein riesiges Forschungsprogramm, das Teilen der US-Industrie eine global führende Stellung verschaffte. Der »Golden Dome« bietet exklusive Chancen für Silicon-Valley-Konzerne wie Space X, Palantir oder Anduril, die zur Zeit Platzhirschen wie Lockheed Martin oder Northrop Grumman größtmögliche Teile des Pentagon-Etats abzujagen suchen. Space X gehört Elon Musk, hinter Palantir und Anduril steht der ultrarechte Investor und Mentor von US-Vizepräsident J. D. Vance, Peter Thiel.

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  • Leserbrief von A.G. (21. Mai 2025 um 23:42 Uhr)
    Es funktioniert nicht. Auch in Israel nicht. Ted Postol Okt. 2023 im BOSTON GLOBE: »Israel’s Iron Dome system doesn’t work, says missile defense critic« https://archive.is/0ThHq »(…) «There’s some evidence of an intercept very occasionally,» Postol said in an interview. But he claims that the great majority of the Iron Dome interceptors miss their targets altogether. «I would say that the intercept rate is at best 4 or 5 percent,» said Postol, adding that it might be as low as 1 percent. «It’s so low, it’s very hard to tell,» he said. (…) «They can produce no evidence that the system is working,» Postol said. «It’s a fraud perpetuated by the Israeli government on its own people. It’s also perpetrated on the American taxpayer because we’re paying for everything.» (…)«. Das ist dasselbe System für das Scholz 4 Mill. aus dem Fenster geworfen hat. Danke auch. Und es ist nur die Spitze des Eisberges. Wie mies es um das westliche Raketenknowhow bestellt ist lässt sich tagtäglich in der Ukraine beobachten. Man darf sich von den vielen begeisterten, sogenannten Sicherheitsexperten im Westen nicht täuschen lassen. Es wird der Weg geebnet für die Räubbarone, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, aber vor allem schlicht wissenschaftlicher Inkompetenz und Illusionen darob im polit. Apparat, Billionen einsacken werden. Selbes Spiel wie bei uns. Und alle gucken zu wie die Schafe. Unfassbar. Jedem sei empfohlen sich eingehend zu informieren jenseits der Jubelpresse. Tip: die Russen und Chinesen kennen sich in der Materie ganz gut aus. Es beginnt also auch damit, dass die jW hier definitiv erklärt was Sache ist und kein solch lauwarmes Urteil präsentiert: »Dass sich ein so riesiges Gebiet verlässlich gegen Flugkörper aller Art verteidigen lässt, bezweifeln viele. Der Verdacht, der «Golden Dome» werde letztlich nur eine Reihe privilegierter Territorien verteidigen können – sagen wir: Washington, D. C. —, ist nicht ausgeräumt.«

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