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Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 6 / Ausland
Bangladesch

Studenten erzwingen Parteiverbot

Bangladesch: Interimspremier untersagt Aktivitäten von Exregierungspartei Awami-Liga
Von Thomas Berger
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Höhepunkt der Studentenproteste gegen die Hasina-Regierung am 13. August 2024 in Dhaka

Vor gut zehn Monaten haben Massenproteste in Bangladesch Langzeitpremierministerin Scheich Hasina Wajed zum Rücktritt gezwungen. Noch ist unklar, wann die Einwohner des bevölkerungsreichen südasiatischen Landes vorzeitig erneut an die Wahlurnen gerufen werden. Im April hatte Interimsregierungschef Muhammad Yunus einen Termin zwischen Dezember und Juni 2026 zugesichert. Sehr wahrscheinlich ist aber eines: Hasinas Partei, die seit der Unabhängigkeit 1971 über größere Zeiträume politisch dominierende Awami-Liga (AL), wird wohl nicht auf dem Stimmzettel stehen. Mitte Mai verfügte Yunus unter Verweis auf das Antiterrorismusgesetz die Einstellung aller Aktivitäten der Partei. Anders als in verkürzten Nachrichten dargestellt, ist es kein volles Verbot, obwohl dies vor allem politische Konkurrenten gern gesehen hätten. Mit der Aussetzen ihrer Zulassung durch die nationale Wahlkommission wäre die AL aber in jedem Fall von Wahlen ausgeschlossen.

Die endgültige Entscheidung, hieß es aus Dhaka, soll fallen, wenn das Gerichtsverfahren gegen ranghohe Mitglieder der früheren Regierung und damit auch einen Großteil der Parteispitze abgeschlossen ist. Zwar drängt Bangladesch nach wie vor auf Auslieferung Hasinas, die sich weiter im Exil in Indien befindet. Aber auch etliche Exminister und namhafte Parteikader sollen an gravierenden Menschenrechtsverletzungen und Versuchen, die Massenproteste mit Gewalt niederzuschlagen, direkt oder indirekt beteiligt gewesen sein. Hasina und die AL hatten vor ihrer Entmachtung 15 Jahre mit zunehmend autoritären Mitteln regiert und noch bei den (unter dem Vorwurf der Manipulation stehenden) Wahlen Anfang 2024 eine erdrückende Mehrheit erhalten. Bei den Auseinandersetzungen vorigen Sommer waren rund 1.400 Tote zu beklagen.

Nach ihrem Selbstverständnis ist die AL sozialliberal, war immer auch mit Kräften des linken Lagers verbündet. Anführer der ehemaligen Studentenbewegung, von denen ein Teil sich inzwischen zu der National Citizens Party (NCP) formiert hat, haben ihr das Etikett »faschistisch« angeheftet. In Reaktion auf das Verbot prangerte die AL am Sonntag an, dass die Entscheidung das »Land in eine politische Krise ungeahnten Ausmaßes stürzt«. Erinnert wurde an vorherige Versuche, die Partei zu verbannen. Aber dieses Verbot sei etwas völlig anderes, denn »es ist nicht das Ergebnis von Volksaufständen, zivilen Unruhen oder eines legislativen Konsenses«, sondern von Entscheidungen, »die hinter verschlossenen Türen von einer sogenannten neutralen geschäftsführenden Regierung getroffen wurden«.

Yunus’ Schritt markiert den Versuch, den wachsenden Druck in dieser Frage zu mindern. Der kam vor allem von der NCP, deren Mitglieder und Unterstützer vor der Verkündung tagelang vor dessen Residenz demonstriert hatten und gemeinsam mit der islamistischen Partei Jamaat-e-Islami und islamisch orientierten Studentengruppen das Verbot einforderten. Während die rechtskonservative Bangladesh Nationalist Party (BNP), über Jahrzehnte Hauptgegnerin der AL, unzufrieden mit dem späten Wahltermin ist, fordert die Fraktion um die NCP auch das Verbot der in Allianz mit der Awami-Liga angetretenen 14 Parteien.

Einer der prominentesten Anführer der Studentenbewegung und wichtigstes Gesicht der NCP, Nahid Islam, ist derweil von seinem Posten als De-facto-Minister zurückgetreten, um in die Parteiarbeit zu wechseln. Mehreren noch amtierenden Exkollegen in der Interimsregierung, die ebenfalls kandidieren wollen, wird ein solch sauberer Schnitt nahegelegt. Derzeit läuft die Überarbeitung der Wählerverzeichnisse, andere Parteineugründungen drängen auf eine vereinfachte Registrierung.

Dabei hängt das Land weiter am Tropf internationaler Geldgeber, am 14. Mai gab der IWF nach der jüngsten Zwischenüberprüfung grünes Licht für die nächste, 1,3 Milliarden Dollar umfassende, Rate aus einem insgesamt 4,7 Milliarden schweren Kredit. Derweil verschärfen sich die Spannungen zum unter Hasina engen Verbündeten Indien weiter: Nachdem zuletzt Dhaka indische Importe erschwert hatte, antwortete Neu-Delhi am Montag mit ähnlichen Maßnahmen zu Einfuhren aus Bangladesch in seinen direkt benachbarten Nordosten.

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