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Aus: Ausgabe vom 22.05.2025, Seite 6 / Ausland
Sudan

Militärs im zivilen Mantel

Sudan: De-facto-Staatsoberhaupt ernennt »Ministerpräsidenten« und meldet Offensive gegen Paramilitärs. Neue Vorwürfe an VAE
Von Mawuena Martens
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Kilometerweit war die Rauchwolke über dem Benzindepot nach dem Angriff in Port Sudan am 6. Mai zu sehen

Die internationale Komponente des Kriegs im Sudan wird immer offensichtlicher. Denn der Machtkampf zwischen der sudanesischen Armee und der Miliz Rapid Support Forces (RSF) wird nicht nur am Boden um Ressourcen und Einfluss ausgetragen, sondern auch auf internationalem Parkett um Aufmerksamkeit und Legitimität. In diesem Zusammenhang ist auch die Ernennung des ehemaligen Chefs der UN-Unterorganisation für geistiges Eigentum, Kamil Idris, zum zivilen »Ministerpräsidenten« zu sehen.

Schon im Februar hatte Armeechef und De-facto-Staatsoberhaupt Abdel Fattah Al-Burhan eine technokratische »zivile Übergangsregierung« angekündigt. Am Montag dann gab er die Personalentscheidung bekannt. Die Afrikanische Union begrüßte den Schritt, wie Le Monde am Dienstag berichtete. Ihr zufolge hofft der Staatenbund, dass dies zu einer »inklusiven Regierung« und einer verfassungsbasierten Ordnung führen könnte. Dabei hob Al-Burhan im gleichen Zug zur Ernennung von Idris auch die Aufsichtsbefugnisse des sogenannten Souveränitätsrates über die Regierung auf. Ein Schachzug, so die französische Zeitung, der seine Entscheidungsgewalt stärkt.

Ebenfalls am Montag weitete Sudans Botschafter bei der UNO, Al-Harith Idriss Al-Harith Mohammed, Vorwürfe gegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) aus. Sie sollen demnach für die verheerenden Angriffe Anfang Mai auf Port Sudan verantwortlich sein, bei denen der Flughafen, Militärbasen, ein Benzindepot sowie ein Hotel getroffen worden waren. Bis dahin war die Stadt am Roten Meer von den Kriegshandlungen weitestgehend verschont geblieben. Sie ist Sitz der Militärregierung, auch die Vereinten Nationen, Diplomaten und internationale Organisationen sind dort ansässig. Außerdem beherbergt sie unzählige Binnenvertriebene und gilt als wichtiger Umschlagplatz für Erdöl aus dem Südsudan. Laut ­Al-Harith Idriss erfolgten die Angriffe nicht nur mit Drohnen, sondern auch mit Kampffliegern, die die VAE von einem ihrer Militärstützpunkte mit Unterstützung von Kriegsschiffen im Roten Meer losgeschickt hätten. Dies sei eine Vergeltungsaktion auf einen kurz zuvor stattgefundenen Angriff auf einen Flughafen und eine emiratische Maschine in Süddarfur gewesen.

Vorwürfe, die VAE unterstütze die RSF durch Waffen- und Geldlieferungen, sind nicht neu. So klagte Sudan bereits vor dem Internationalen Gerichtshof gegen die Emiratis wegen eines Bruchs der Völkermordkonvention. Der Gerichtshof wollte den Fall jedoch nicht verhandeln, entschied er Anfang Mai, da seine Gerichtsbarkeit nicht gelte: Abu Dhabi hätte die Konvention zwar ratifiziert, allerdings unter Ausschluss einer Klausel, die den Gerichtshof als zuständig ansieht. Die jetzigen Vorwürfe gehen viel weiter, da den VAE erstmals eine direkte Kriegsbeteiligung vorgeworfen wird. Die Beschuldigten wiesen das umgehend zurück und verurteilten die Attacke auf Port Sudan. Am Dienstag griff auch US-Außenminister Marco Rubio die Vorwürfe auf. Gegenüber einer Senatskommission sagte er: »Wir haben nicht nur gegenüber den Vereinigten Arabischen Emiraten, sondern auch gegenüber anderen Ländern zum Ausdruck gebracht, dass es sich um einen Stellvertreterkrieg handelt, der die Region destabilisiert.«

Tatsächlich werden sowohl die RSF als auch die Armee aus dem Ausland unterstützt, darunter durch Russland, die USA, Israel, Ägypten, Türkei und Saudi-Arabien. Beiden Seiten werden Kriegsverbrechen angelastet. Und wie ihr Gegner wollen sich die RSF mit Installierung einer Regierung Legitimität verschaffen: Al-Burhans früherer Vize Mohammed Hamdan Daglo verkündete Mitte April eine »Regierung des Friedens und der Einheit«, die eine »Übergangsverfassung« erarbeiten solle. Die Miliz kontrolliert mittlerweile fast den gesamten Süden und Westen des Landes. Am Dienstag meldete die Armee den Start einer »großangelegten Offensive« gegen die RSF, mit der die Paramilitärs aus dem neben Khartum gelegenen Omdurman vertrieben werden sollen. Dorthin hatten sie sich zurückgezogen, nachdem die Hauptstadt von Al-Burhans Truppen im März eingenommen worden war. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete von mehreren Explosionen in den von Milizionären kontrollierten Bereichen der Stadt.

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