Volle Auftragsbücher bei Werften
Von Burkhard Ilschner
Der Präsident vom Verband für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), Harald Fassmer, verbreitete am Dienstag bei der Vorstellung des Jahresberichts in Hamburg maritimen Optimismus: Mit dem der Segelei entlehnten Motto »Klar zur Wirtschaftswende« biederte sich Fassmer erst einmal bei der neuen Bundesregierung an – und bilanziert, mit »einer hohen Auslastung und gut gefüllten Auftragsbüchern« ein »insgesamt erfolgreiches Jahr« 2024 abgeschlossen zu haben. Im Seeschiffneubau sei mit einem »zivilen Auftragseingang« in Höhe von 10,7 Milliarden Euro »ein neues Allzeithoch« erreicht worden.
Ob das im Langzeitvergleich haltbar ist, sei dahingestellt: Es gab Zeiten, da arbeiteten in beiden deutschen Staaten Hunderttausende im Schiffbau – was das für damalige Auftragssummen bedeutete, ist auf die Schnelle nicht zu überprüfen. Aktuell jedenfalls spricht der VSM von nur noch rund 20.000 Werftbeschäftigten, stellt aber immerhin einen Zuwachs um knapp 2,2 Prozent fest. Und er rechnet dies ein bisschen schön, indem er die Zulieferindustrie mit einbezieht und so »den Beschäftigungseffekt« auf mehr als 200.000 hochqualifizierte Arbeitsplätze schätzt.
Das besagte Anbiedern scheint kein Zufall, denn der VSM freut sich einerseits, dass »der Marineschiffbau boomt« und »die Notwendigkeit einer leistungsfähigen Marineschiffbauindustrie angesichts der globalen kritischen Sicherheitslage offensichtlich« sei. Andererseits moniert der Verband aber auch, deutsche Marineschiffbaukapazitäten hätten »nur durch erfolgreiche Vermarktung im (befreundeten) Ausland im vorhandenen Umfang gesichert werden« können – und mahnt die neue Koalition: »Die deutsche Politik muss Resilienzfragen stärker in den Fokus nehmen.« Nein, von Teilhabe am Aufrüstungssondervermögen ist nicht offen die Rede.
Im globalen Vergleich wird schnell deutlich, was sich hinter solchen Äußerungen verbirgt: 2024 seien weltweit rund 203,8 Milliarden US-Dollar (umgerechnet etwa 181,5 Milliarden Euro) in Schiffneubauten investiert worden – im Vergleich zu 2023 eine Steigerung um 55 Prozent. Zwar stammten davon rund 70 Milliarden US-Dollar (rund 62,3 Milliarden Euro) aus europäischen Neubauaufträgen, gut 20 Prozent mehr als im Vorjahr – betont wird aber, »dass der kleinste Anteil davon nach Europa floss«. 53 Prozent aller Neubauten habe 2024 China abgeliefert, unterstreicht auch der VSM die zuvor bereits festgestellte Vormachtstellung der Volksrepublik. Von deren Kapazitätsausbau ist im VSM-Jahresbericht viel die Rede – mehr als 71 Prozent aller Containerschiffneubauten kämen aus China, bei Massengutfrachtern mehr als 70 Prozent, bei Tankern knapp 68 Prozent; mit beträchtlichem Abstand folgen auf den nächsten Plätzen Südkorea und Japan.
Noch vor wenigen Jahren monierte Verbandschef Fassmer, Eigner der gleichnamigen Werft aus Motzen an der Unterweser, dass deutsche und europäische Reeder trotz Unterstützung »durch erhebliche Steuermittel« den Löwenanteil ihrer Neubauaufträge nach Asien vergäben, statt im Lande bauen zu lassen. Derart kritische Töne lässt der aktuelle Bericht vermissen, vielmehr beschränkt man sich jetzt darauf, unter Hinweis auf beträchtliche Subventionen anderswo das Fehlen »fairer Finanzierungsbedingungen« für den deutschen Schiffbau zu beklagen. Führend sei der nur noch im Kreuzfahrtschiff- und Luxusyachtbau, lobt man sich.
Natürlich bleiben Donald Trumps überbordende Vorhaben für den zivilen US-Schiffbau – »über Jahrzehnte vernachlässigt« – ebenso wenig unerwähnt wie Russlands »ambitionierte Pläne«, 500 Milliarden Rubel (5,5 Milliarden Euro) in die »Stärkung der nationalen Schiffbauindustrie« stecken zu wollen. Ansonsten betont man beim VSM nicht nur die »Schlüsselrolle« von Marinestreitkräften »im geopolitischen Kontext«, sondern schaut über den Schiffbau hinaus auch auf die Meerestechnik als Teil der heimischen maritimen Industrie: Der Ausbau der Offshorewindenergie mit Hardware aus China berge »mindestens vergleichbare Risiken wie die, die für die Mobilfunknetze bereits adressiert werden.«
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