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Aus: Ausgabe vom 21.05.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
AIDS in Afrika

Massensterben per Dekret

Stopp von US-AIDS-Hilfe-Programmen führt im südlichen und östlichen Afrika zu schwerer Krise
Von Christian Selz, Kapstadt
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Für schwangere Frauen gibt es gut 21 Prozent weniger HIV-Tests und für Neugeborene knapp 20 Prozent weniger

Alle 3,3 Minuten stirbt ein Mensch aufgrund eines einzigen Trump-Dekrets. So jedenfalls weist es eine von der Universität Boston unterstützte Initiative aus, mit der US-Forscher die tödlichen Folgen der abrupten Streichung der Förderung für HIV-Präventions- und Behandlungsprogramme durch die Trump-Administration in Zahlen darstellen wollen. Am Montag wurde die Marke von 50.000 Todesfällen durchbrochen, die demnach bereits durch das Einfrieren der Mittel verursacht wurden.

Die Zahlen beruhen auf Schätzungen entsprechend der vorherigen positiven Auswirkungen des President’s Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR, deutsch Notfallplan des Präsidenten zur Aidshilfe). Das Programm war 2003 unter dem damaligen US-Präsidenten George W. Bush eingeführt worden. Trump hatte die Förderung der Programme am 24. Januar dieses Jahres mit sofortiger Wirkung eingefroren. Wenige Tage später wurde sie zwar teilweise wieder freigegeben, die Mehrzahl der PEPFAR-Programme aber dennoch am 26. Februar gestoppt. Von der Maßnahme sind etwa 20 Millionen Menschen in 55 Ländern weltweit betroffen.

Aus Südafrika, wo etwa acht Millionen Menschen mit dem HI-Virus leben, vermeldete die Nachrichtenagentur Reuters vergangene Woche erste konkrete Zahlen des staatlichen Nationalen Labordienstes, die Aufschlüsse auf die Folgen der Trump-Maßnahme geben. Demnach sank etwa die Zahl der Tests zur Feststellung der Viruslast bei schwangeren Frauen im April um 21,3 Prozent, die der Diagnosetests bei Neugeborenen um 19,9 Prozent. In der Praxis bedeutet das eine gesteigerte Gefahr einer Übertragung des Virus von der Mutter auf das Kind sowie eine verspätete Behandlung des Säuglings. Auch zahlreiche weitere Präventions-, Diagnose- und Behandlungsprogramme sind von den Mittelstreichungen stark betroffen.

Südafrika ist zwar zur Versorgung von HIV-Infizierten mit Medikamenten nicht auf US-Hilfen angewiesen, aber PEPFAR hatte etwa 15.000 Mitarbeiter im Gesundheitswesen des Landes angestellt und eigene medizinische Zentren betrieben, die nun größtenteils ihre Dienste einstellen mussten. Zum Teil liegt die Krise dabei auch schlicht in der Ungewissheit begründet, die durch das Hin und Her der Trump-Dekrete verursacht wurde. Neben den direkten gesundheitlichen Auswirkungen für die Patienten bedeuten die Budgetstreichungen zudem harsche ökonomische Folgen für die nun entlassenen PEPFAR-Mitarbeiter. Insgesamt waren weltweit bisher etwa 190.000 Menschen über die Initiative angestellt.

Das HIV/AIDS-Programm der Vereinten Nationen, UNAIDS, hatte bereits im März vor den gravierenden Folgen der Streichungen insbesondere in Ländern des östlichen und südlichen Afrikas gewarnt. Einige besonders stark von der HIV-Pandemie betroffene Staaten wie etwa Malawi, Simbabwe und Mosambik hatten dort bisher über 80 Prozent ihrer HIV-Programme aus PEPFAR-Mitteln finanziert, inklusive der medikamentösen Versorgung. Das von den USA ausgelöste Chaos führte zudem zum Horten oder Aufsparen von Medikamenten durch die Patienten, was nicht nur zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Betroffenen, sondern auch zu erhöhter Ansteckungsgefahr führen kann.

Auch nahezu sämtliche von PEPFAR finanzierte Präventionsprogramme kamen zum Erliegen, selbst Forschungsprogrammen zu neuen Medikamenten droht das Aus. Eine in der Maiausgabe der Medizinfachzeitschrift The Lancet veröffentlichte Studie prognostiziert deshalb zwischen 4,43 und 10,75 Millionen zusätzliche Neuansteckungen in den kommenden fünf Jahren. Darüber hinaus sei mit einer Anzahl zudätzlicher Todesfälle zwischen 0,77 und 2,93 Millionen zu rechnen, verglichen mit den erwarteten Werten im Falle einer Fortführung der Programme.

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