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Aus: Ausgabe vom 21.05.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
US-Politik

Trumpismus gegen Trump

USA: Widerstand gegen Steuersenkungsgesetz vorerst eingestellt. Forderung nach Kürzungen im Gesundheitssektor
Von Felix Bartels
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Die eigene Ideologie im Nacken: US-Präsident Trump

So ganz regiert Trump nicht durch. Das Gebälk zwischen Kongresskammern, Weißem Haus und Grand Old Party (GOP) knarrt bisweilen. Kaum aber einer Opposition von links oder der Mitte wegen. Der US-Präsident hat ausgerechnet mit jenen zu kämpfen, die seine Ideen nachgerade ideal vertreten.

Am Sonntag scheint einer dieser Kämpfe beendet worden zu sein. Das umfassende Steuersenkungsgesetz, von Trumps Stab ersonnen, wurde nach tagelangen Gefechten innerhalb der GOP vom Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses angenommen. Trump und Speaker Mike Johnson stehen damit vorerst als Sieger da. In einer außerordentlichen Sitzung am Sonntag gaben fünf Ausschussmitglieder aus den Reihen der GOP, die das Gesetz am Freitag noch blockiert hatten, ihre Zustimmung, während sie in Gesprächen mit führenden Republikanern auf weitere Kürzungen des Bundeshaushalts insistierten. »Wir haben an diesem Wochenende Fortschritte gemacht (…), aber nicht annähernd genug«, sagte Chip Roy, einer der fünf, nach Verabschiedung des Entwurfs.

Genauer handelt es sich beim angedachten Gesetz um eine Verlängerung jener Steuersenkungen, die Trump 2017 in seiner ersten Amtszeit durchgesetzt hatte. Der parteiübergreifende Steuerausschuss des Kongresses schätzt, dass die damit verbundenen Steuersenkungen über das kommende Jahrzehnt hinweg den Schulden der Bundesregierung, die bei 36,2 Billionen US-Dollar liegen, weitere 3,7 Billionen hinzufügen würden, andere unabhängige Gutachter schätzen die Neuverschuldung zwischen drei und fünf Billionen ein. Moody’s, die als letzte der großen Ratingagenturen die USA mit AAA bewertet, gab die Warnung aus, dass die Schuldenlast bis 2035 insgesamt 134 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreichen könnte (2024 lag sie bei 98 Prozent). »Aufeinander folgende US-Regierungen und der Kongress haben versäumt, sich auf Maßnahmen zur Umkehr des Trends großer jährlicher Haushaltsdefizite und wachsender Zinskosten zu einigen«, erklärte die Agentur und fügte hinzu, dass man nicht genügend Kürzungen »in den aktuellen Haushaltsvorschlägen« sehe. Entsprechend hatte der von den Republikanern kontrollierte Haushaltsausschuss am Freitag das Gesetz zunächst abgelehnt, das auch die partielle Abschaffung der Steuern auf Trinkgelder und Überstunden vorsieht, die Militärausgaben erhöht und mehr Mittel für Trumps Feldzug gegen die Zuwanderung bereitstellt. Der Ausschussvorsitzende, Jodey Arrington, setzte daraufhin für Sonntag eine weitere Sitzung an.

Tatsächlich tobt in der GOP ein Kampf zwischen Hardlinern und Pragmatikern. Jene wollen die libertäre Agenda der Ausgabensenkung durchsetzen, diese fürchten mit dem daraus folgenden Kollaps sozialer Programme Stimmenverluste in ihren Bezirken bei den kommenden Midterm-Wahlen 2026. Vier der fünf Rebellen – Chip Roy, Ralph Norman, Andrew Clyde und Josh Brecheen – gehören dem radikal libertären House Freedom Caucus an, einem Zusammenschluss innerhalb der republikanischen Partei. Ihre Vorstellungen zu den Kostensenkungen sind entsprechend. Die beträfen vor allem das Gesundheitsprogramm Medicaid und staatlich subventionierte Krankenversicherungen, die im Rahmen des Affordable Care Act angeboten werden. Die Attacke richtet sich folglich gegen einkommensschwache Menschen. Bei Umsetzung der Kürzungen dürften rund 8,6 Millionen Amerikaner ihren medizinischen Versicherungsschutz verlieren.

Dabei waltet hier durchaus eine interne Logik, wenn man denn bereit ist, gewisse Voraussetzungen zu akzeptieren, die politischer Natur sind, doch als Sachzwänge ausgegeben werden. Die Furcht vorm Verlust der globalen Konkurrenzfähigkeit führt zur Sorge ums nationale Wachstum, die zur Sorge um steuerliche Entlastung der inländischen Unternehmer, die zur Angst vorm Haushaltsdefizit, die zur Forderung, die Daumenschraube bei denen anzusetzen, die man entbehren kann. Für die Betroffenen ist die Sache viel einfacher: Wer da viel hat, dem soll nicht genommen werden, und wer da wenig hat, dem darf nicht gegeben werden. Was sich intern als logische Ableitung versteht, korrespondiert extern ohnedies.

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