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Aus: Ausgabe vom 17.05.2025, Seite 4 / Inland
Neue Bundesregierung

Mit noch härterer Hand

Innenminister stellt im Parlament seine Agenda vor. Fokus auf Ermächtigung von Polizei und Geheimdiensten sowie Härte gegenüber Geflüchteten
Von Kristian Stemmler
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Betont streng: Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) am Donnerstag im Bundestag (Berlin, 16.5.2025)

Den Krieg vorbereiten, profitschmälernde Hürden für Kapitalisten abräumen und die Arbeitstage der Beschäftigten verlängern – das Merz-Kabinett hat sich viel vorgenommen. Am Freitag war Alexander Dobrindt (CSU) im Bundestag an der Reihe, um als neuer Innenminister sein Programm zu präsentieren. Dabei wollte er keine Zweifel daran aufkommen lassen, dass er der Richtige für eine lupenreine »Law and Order«-Politik ist. Gleich zu Beginn seiner Rede stellte der frühere Verkehrsminister dem ihm unterstellten Polizeiapparat einen Freibrief aus. Mit pathetischen Worten dankte er »denen, die in diesem Land für Schutz und Sicherheit der Bevölkerung eintreten«.

Die sogenannten Sicherheitsbehörden seien »zu oft unter Generalverdacht gestellt worden«, beklagte Dobrindt. Daher wolle er »Schluss machen damit, dass wir Kennzeichnungspflichten einführen, Kontrollquittungen« ausstellen und »Beschwerdestellen« einrichten. Den »Werkzeugkasten« von Polizei und Geheimdiensten werde er »deutlich erweitern«. So werde er die von seiner Vorgängerin Nancy Faeser (SPD) vorbereitete längerfristige Zwangsspeicherung von IP-Adressen einführen. Er übernahm dabei die Behauptung der Polizei- und Geheimdienstlobby, wonach IP-Adressen »oft der einzige Ermittlungsansatz« seien, um schwere Straftaten aufzudecken.

Der CSU-Politiker wurde auch zum Wiederkäuer reaktionärer Propaganda, als er auf die Migrationspolitik zu sprechen kam. Die Konsequenz aus den vergangenen zehn Jahren müsse die Feststellung sein, »dass die illegale Migration die politische Stabilität Deutschlands und Europas gefährdet«. Er habe darum in der vergangenen Woche einen »Kurswechsel« eingeleitet, erklärte Dobrindt mit Blick auf die verschärften Grenzkontrollen, die er in der Vorwoche angeordnet hatte. Außerdem werde die »Expresseinbürgerung« abgeschafft sowie der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte ausgesetzt. Freiwillige Aufnahmeprogramme werde sein Ministerium beenden und die Liste der »sicheren Herkunftsstaaten« erweitern, um Menschen von dort keinen Schutz gewähren zu müssen. Ein dauerhafter Ausreisearrest werde für »Gefährder« – Unschuldige, denen die Behörden schwere Straftaten zutrauen – sowie für »schwere Straftäter« eingeführt. Für diese gebe es nur noch zwei Möglichkeiten: »Haft oder Heimflug«.

Erste Zahlen zu den Zurückweisungen an den Grenzen hatte Dobrindt am Donnerstag bei einem PR-Termin an einer Kontrollstelle an der bayerisch-österreichischen Grenze präsentiert. In der zurückliegenden Woche seien 739 Personen an dieser Grenze zurückgewiesen worden, demnach 45 Prozent mehr als in der Woche zuvor. Unter den Zurückgewiesenen seien auch Asylsuchende gewesen. Von 51 Menschen, die ein Asylgesuch äußerten, seien 32 zurückgewiesen worden.

Solche Zurückweisungen gelten gemeinhin als illegal, weil sie Kritikern zufolge nicht mit EU-Recht vereinbar sind. Darauf wies auch die Linke-Abgeordnete Clara Bünger am Donnerstag im Bundestag hin. Sie sprach von einem »Einstieg in eine Herrschaft des Unrechts«. Der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im EU-Parlament, Erik Marquardt, sekundierte laut Focus, die Zurückweisungen fänden »ohne jegliche rechtliche Grundlage statt«. Marquardt warnte außerdem vor Konsequenzen für deutsche Polizisten, die Asylsuchende an der Grenze zurückweisen. Diese machten sich gerade »durch die Bank strafbar für das Migrationstheater von Herrn Dobrindt«.

Zuspruch erhielt die Regierung vom südlichen Nachbarn. Österreichs Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) sei froh, dass es auch in Deutschland einen »Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik« gebe, sagte er gegenüber Table Media. Alles andere als begeistert von den verschärften Kontrollen ist dagegen Polen, wo am Sonntag Präsidentschaftswahlen stattfinden.

Beim Antrittsbesuch im Brandenburger Landtag erklärte der geschäftsführende polnische Botschafter Jan Tombiński am Donnerstag laut RBB, Deutschland müsse nachweisen, »dass zurückgewiesene Asylsuchende wirklich aus Polen gekommen sind«.

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