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Aus: Ausgabe vom 17.05.2025, Seite 5 / Inland
Agrarpolitik

Grünland zu Ackerfläche

EU-Kommission will GAP »reformieren«. AbL und DNR kritisieren »Rückbau« bei Standards
Von Oliver Rast
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Wildwuchs für Artenvielfalt – oder: Grüner Randstreifen am Wirtschaftsweg zur agrarischen Nutzfläche

Vereinfachen will sie, ändern. Wer, was? Die EU-Kommission die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP). Mit dem »Vereinfachungspaket«, das EU-Agrarkommissar Christophe Hansen und EU-Wirtschaftskommissar Valdis Dombrovskis am Mittwoch in Brüssel präsentierten. Da haben sich die Kommissare viel vorgenommen – und viel Kritik eingehandelt. Aber der Reihe nach.

Hansen erklärte dem Portal Agrar heute zufolge, mit den Vorschlägen käme der »Pragmatismus in die Agrarpolitik zurück«. Teil des Pakets sei etwa das neue Prinzip: nur eine Vor-Ort-Kontrolle pro Jahr und Betrieb. Ferner soll die jährliche Pauschalzahlung für Kleinlandwirte von 1.250 Euro auf 2.500 Euro angehoben werden. Detaillierte Förderanträge müssten jene Landwirtschaftsbetriebe nicht stellen. Leichter möglich ist auch eine Finanzspritze als »Wachstumsinvestition« für Kleinlandwirte von bis zu 50.000 Euro. Allerdings ist die sogenannte Kleinerzeugerregelung ein freiwilliges GAP-Instrument, das Deutschland und die meisten EU-Staaten bisher nicht anwenden.

Konfliktstoff bergen die vorgesehenen Änderungen bei den Standards des »Guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustands« (GLÖZ). Etwa beim Schutz von Dauergrünland, Moor- und Feuchtflächen sowie Pufferstreifen an Wasserläufen. Bisher darf die Dauergrünlandfläche (Weide und Wiesen) eines EU-Mitglieds im Vergleich zum Referenzjahr 2018 höchstens fünf Prozent reduziert, sprich umgebrochen werden als Ackerland. Künftig könnten es laut Kommissionspaket zehn Prozent sein. Kurz, Brüssel will Landwirte mit dem »Vereinfachungspaket« um 1,6 Milliarden Euro entlasten, besonders mittels weniger Auflagen, niedrigerer Hürden, leichterer Förderanträge – »Bürokratieabbau« heißt das.

Das Kommissionspaket sei »eine solide Grundlage für die anstehenden Verhandlungen im Rat und im Europäischen Parlament«, wurde Bundeslandwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) am Mittwoch in einer Mitteilung zitiert. Denn wer Tiere versorge und Felder bestelle, brauche Freiräume statt Formulare. Rainer sprachbildlich: »Der Schreibtisch darf nicht die wichtigste Ackerfläche sein.« Ina Latendorf (Die Linke) hält vom deutschen Ressortchef samt Kabinett – erwartbar – nichts. »Die Bundesregierung steht für Stillstand, statt für eine sozialökologische Agrarwende«, erklärte die agrarpolitische Sprecherin ihrer Bundestagsfraktion am Donnerstag.

Einwände gegen das »Vereinfachungspaket« hat auch Ottmar Ilchmann. Denn das sei eines: ein landwirtschaftspolitisches Rückbauprogramm, sagte der Sprecher für Agrarpolitik der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) am Donnerstag jW. Und: »Eine wirtschaftliche Stärkung bäuerlicher Betriebe findet nicht statt.« Besonders gravierend sei, dass EU-Staaten die Möglichkeit bekommen sollen, deutlich mehr Grünland umzubrechen als bisher. »Dies wird den Klimawandel und das Artensterben nochmals verschärfen.« Unter dem Strich sehe das Paket, so Ilchmann, nur eine Rücknahme von Standards vor, nicht aber eine Ausweitung von Anreizen etwa für ökonomisch prekäre kleine und mittlere Grünlandbetriebe. Gestärkt würden diese beispielsweise durch zusätzliche Förderangebote innerhalb der Ökoregelungen.

Ähnlich argumentiert Florian Schöne, der Geschäftsführer vom Deutschen Naturschutzring (DNR): Unter dem Deckmantel der »Vereinfachung« wolle die EU-Kommission weitere Mindestanforderungen zum Schutz der Umwelt schleifen. Vor allem ein vermehrter Grünlandumbruch gefährde wertvolle Lebensräume und die Kohlenstoffspeicherung in Böden, so Schöne laut Mitteilung vom Mittwoch.

Gut, fix ist noch nichts. Das »Vereinfachungspaket« wird erst Gesetz, wenn EU-Länder und -Parlamentarier zugestimmt haben.

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